Nach unserer ersten großen Radtour vor zwei Jahren auf dem Isarradweg haben wir uns diesmal den Bodensee vorgenommen.
Ausrüstung
Ich nutze immer noch das Vaude-Karakorum-Radtaschenset, meine Frau dieses günstigere Set. Die Kinder schleppen noch immer kein Gepäck. Die Tochter fährt ihr altes Cube Kid 200, der Sohn hat mittlerweile ein größeres Cube Kid 240, wir Erwachsenen fahren unsere normalen Stadträder (Diamant) mit sieben und 21 Gängen.
Für das Smartphone nutze ich manchmal so eine Armhalterung, die ich auch zum Joggen einsetze. Damit ist das iPhone näher am Ohr und man kann der Navigationsansage besser folgen.
Planung und Navigation
Der bikeline-Fahrradguide hat sich schon beim Isarradweg bewährt, also nutzen wir den auch für den Bodensee. In dem Guide ist ein Code enthalten mit dem man sich die Tour auch als GPS-Track runterladen kann.
Zur genaueren Planung nutze ich zum ersten mal komoot. Dort kann man den Track importieren und danach noch eigene Wegpunkte hinzufügen. Das sieht dann so aus.
Wenn man als Wegpunkt ein Hotel oder eine Pension hinzufügt erkennt komoot das dann auch als Zwischenstopp und man kann so die einzelnen Etappen ganz gut planen.
Was schlecht ist an komoot: kennt das System die Adresse nicht als Übernachtungsmöglichkeit, (was z.B. bei privaten airbnb-Unterkünften vorkommt) dann wird der Punkt nicht als Zwischenstopp erkannt und man kann den Punkt auch nicht nachträglich umbenennen oder als Unterkunft markieren. Das ärgert seit 2016 auch zahlreiche andere komoot-Nutzer.
Was mit komoot sehr gut funktioniert: die Navigation mit Sprachausgabe. Wenn man das Smartphone z.B. am Arm anbringt, braucht man noch nicht mal Kopfhörer. Speziell für die Bodenseetour ist das jetzt aber nicht unbedingt nötig, weil alles wirklich idiotensicher ausgeschildert ist.
Unterkünfte
Die ganze Region ist natürlich eine beliebte Urlaubsregion und entsprechend schwer und teuer ist es während der Sommerferien Unterkünfte zu finden. Es gibt einige Jugendherbergen, aber die sind, als wir an Pfingsten recherchieren, schon alle ausgebucht. Am Ende finden wir dann über airbnb, booking.com und Google doch noch für jede Etappe was. Wenn auch nicht unbedingt günstig.
In Konstanz schlafen wir bei Yves (nett), in Überlingen im Zähringer Hof (die Tapete!), in Friedrichshafen im Hacienda (bisschen weit weg vom See), in Bregenz im JUFA Hotel (zu teuer) und in Egnach bei Silke (beschde!)
Die Tour
Zuerst mal muss man sich entscheiden, wie rum man um den See fährt. Für mich ist das eigentlich ziemlich eindeutig, etwas anderes als Uhrzeigersinn ist nicht vorstellbar. Die vielen anderen Menschen, die uns entgegenkommen, sehen das aber anscheinend nicht so eindeutig (und es kommen einige entgegen, bzw. überholen uns. Der Bodenseeradweg ist deutlich frequentierter als der Isarradweg)
Wir lassen den kompletten Untersee weg, das zweite Hasenohr am nördlichen Ende nehmen wir aber mit. Das ist die Strecke von Konstanz bis Überlingen oder Meersburg.
Von München aus fahren wir mit dem Zug nach Friedrichshafen. Da kann man dann theoretisch gleich losfahren. Da wir aber das Ende der Tour in der Schweiz bei einer Freundin verbringen wollen, setzen wir erst noch mit dem Schiff nach Konstanz über und starten dort.
Unsere einzelnen Etappenlängen liegen zwischen 30 und 50 Kilometern. Dafür brauchen wir immer 2-3 Stunden reine Fahrzeit, mit Pausen sind wir jeden Tag gute 6 Stunden unterwegs.
Am Ende haben wir insgesamt 190 Kilometer in 5 Tagen zurückgelegt.
Im Vergleich zum Isarradweg vor zwei Jahren schaffen die Kinder mittlerweile ein paar Kilometer mehr am Tag. Es gibt eigentlich kein Meckern und gleich am ersten Tag sind wir Eltern noch fertiger als die Kinder am Abend.
Da es genug Orte um den See gibt, ist es bestimmt auch möglich kürzere Etappen einzulegen.
Auf der ganzen Tour gibt es keine nennenswerte Steigungen. Ausnahme: Konstanz – Überlingen. Und die hat es in sich. Da muss man mit Gepäck ordentlich schwitzen. Ist dann aber auch schön, wenn man es geschafft hat.
Die Bodenseetour hat, gerade wenn man vielleicht noch nicht so ganz sicher ist, ob die Kinder das schon schaffen, den Vorteil, dass man eigentlich in jedem größeren Ort in den Zug oder auf ein Schiff steigen kann um Strecke abzukürzen. Außerdem kann man auch überall problemlos zur Abkühlung in den See springen (mit Ausnahme von Friedrichshafen, s.u.). Das ist gerade bei den hohen Sommertemparaturen super.
Tagebuch
Im folgenden kommen jetzt noch meine Instagram-Tagebuch-Einträge mit Bildern von den Tagesetappen (minimal überarbeitet).
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Tag 1
Es geht von Konstanz nach Überlingen. Das ist zum Einstieg gleich das härteste Stück. 50 Kilometer und v.a. 560 Höhenmeter. Und dazu dann noch fast nur durchs Hinterland, ohne Seeblick. Wir sind eigentlich nur mit Strampeln und Schwitzen beschäftigt. Deshalb keine Bilder von der Strecke.
Als wir in Überlingen ankommen wird schnell klar, was der Vorteil einer Radtour rund um einen See ist: man kann durchgeschwitzt unverzüglich in den See springen. Machen wir.
Das Hotel am Platz ist eher oldschoolig inhabergeführt. Der Sohn fragt nach WLAN. Ich sage ihm, so oldschoolig wie das hier ist, gibt’s bestimmt kein WLAN. Er fragt ob oldschoolig ist, wenn die Hotelinhaberin ein Kleid mit dem Blümchenmuster unserer Hotelzimmertapete trägt. Er versteht schnell.
Insgesamt ist hier sehr mediterranes Ambiente. Bis die Einheimischen den Mund aufmachen. Dann merkt man: auch nur Schwaben.
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Tag 2
Überlingen nach Friedrichshafen, 35 Kilometer, alles flach. Ein Katzensprüngle, wie der Bodenseeschwabe sagt.
Kurz nach Überlingen kommt schon Unteruhldingen. Und wer Unteruhldingen sagt, sagt auch: Pfahlbauten. Wie es war, damals in der Steinzeit, oder zumindest wie es sich Archäologen vorstellen, das es war. Weil so ganz genau weiß man es nicht. Gab noch kein Instagram. Das Museum lohnt sich jedenfalls. Ist alles schön gemacht.
Danach geht es weiter nach Meersburg. Durch die Fußgängerzone von Meersburg muss man laut Verkehrsschild Schritttempo fahren. Wir nehmen noch mehr Rücksicht auf die größte Touristengruppe vor Ort und fahren sogar angepasstes Herzschrittmachertempo.
Apropos Herzschrittmacher: Der Bodenseeradweg ist auch so eine Art Mehrgenerationenhaus. Nur auf Rädern und mit Strandbad. Hier treffen Kinder, Eltern und Senioren (#ebike) aufeinander. Und manchmal fährt sogar ein Jugendlicher mit Cloud-Rap in der Boombox vorbei (ok, der ist nur auf dem Weg zum nächsten Strand).
Der Weg nach Friedrichshafen ist dann jedenfalls nicht mehr ganz so naturnah, wie am 1. Tag und führt größtenteils parallel zur Straße. Wir machen zwischendurch Halt im Halteverbot. Merkt keiner.
In Friedrichshafen wollen wir dann gleich wieder ins Wasser. Das Südufer ist aber komplett veralgt, an der zentralen Promenade sieht es besser aus und es ist auch total leer im Wasser. Seltsam. Könnte am großen Abflussrohr liegen, welches wir zum Glück noch rechtzeitig entdecken. Wer plant so was? 0 Badepunkte FN.
Bevor die Stimmung ganz kippt, rettet uns der Asien Imbiss C&N („gut, schnell, günstig“) mit seinem frittierten Spezialitäten 23, 45 und 2×52. Morgen gehts nach Bregenz.
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Tag 3
Friedrichshafen nach Bregenz, 36 Kilometer, alles flach.
Los geht es mit 1 Sohn, der auf Schotter Freihändigfahren übt und 1 Vater, der ihn dabei filmt. Unvernunft und Unvernunft hebt sich bekanntlich gegenseitig auf.
Kurz nach Langenargen überqueren wir den Fluss „Argen“ über eine der ersten Drahtseilhängebrücken Deutschlands. Der Typ, der die gebaut hat war später Berater bei der Golden Gate Bridge. Beim historisch andächtigen Überqueren folgender Gedankengang:
Angenommen jeder Bodenseeradwegtourist wirft bei Nutzung der Brücke ein bisschen Kleingeld in den Fluss. Dann könnte der Bürgermeister von Langenargen einmal im Jahr sagen: „Hui, da liegt aber einiges im Argen!“ (das falsche Geschlecht DER Argen würde man ihm verzeihen, weil er eh Schwabe ist und man grammatikalisch nicht viel erwartet) Und mit dem Geld wird dann das Dorffest bezahlt. Eine runde Sache. Ende Gedankengang.
In Kressbronn machen wir Mittag am See. Zur Sicherheit (vgl. Tag 2) wird dort auch gleich mal ins Wasser gerannt. Eine Helikoptermutter mit Strohhut sitzt im Klappstuhl direkt am Wasser und passt auf unsere Kinder mit auf.
Zwischendurch nochmal Rast und Gelegenheit unsere ausgeklügelte Packstrategie zu erläutern. Das geht so: Beide Eltern schleppen ein 3er-Satteltaschen-Set. Da wird alles irgendwie reingestopft. Was nicht reinpasst wird außen mit Packriemen drangehängt. Was abfällt wird zurückgelassen.
Lindau überzeugt mit Altstadt, Eisdiele und einer Game-of-Thronesquen Hafeneinfahrt.
In Bregenz springen dann alle noch mal in den See. Die Kinder sogar von der 3-Meter-Kaimauer (ich, aus medizinischen Gründen, nicht)
Morgen dann die Schweiz. Nochmal schnell den Dispo checken!
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Tag 4
Von Bregenz (A) nach Egnach (CH), 47 Kilometer, alles flach.
Unweit von Bregenz überqueren wir die Ach. Kurz danach in einem österreichischen Vorgarten nochmal: Ach! ALF! Mit einer Motorsäge überlebensgroß aus Holz gezimmert. Vielleicht ist Österreich doch noch nicht ganz verloren.
Ein paar Straßen weiter hat der nächste Motorsägenkünstler einen imposanten Begrüßungsfinger vor die Haustür gestellt.?
Dann geht es über die sehr grüne Grenze in die Schweiz.
Mittagspause wird dort am See gemacht. Schön idyllisch. In der Einflugschneise vom Flughafen „St. Gallen – Altenrhein“
Die Schweiz ist extrem teuer, man zahlt hier alles mit Goldbarren. Das ist bekannt. Wir haben zum Glück noch ein paar Restgoldbarren vom letzten Besuch, kaufen uns im „Badi Speck“ 4 Oreoeis und geben großzügig Trinkgold.
Anschließend fahren wir fehlerfrei durch Rorschach. Test bestanden.
Kurz vor Arbon ziehen Wolken auf und wir retten uns pünktlich mit dem Regenschauer ins behagliche Zuhause von @maedchen74. Sie bläst die Gästeluftmatratze für uns auf. Morgen: Day off.
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Tag 5
Von Egnach (CH) nach Egnach (CH), 0 Kilometer, 122387 Kalorien.
Zwei Programmpunkte:
1) Besuch in der Schokoladenfabrik. Da gibt es direkt von der Produktionsstrasse ein Förderband, mit dem werden die fertigen „Minörlis“ nach oben zu den Besuchern befördert. Zugriff unbegrenzt!
Ich hab es kurz durchgerechnet: Fabrikeintritt für die ganze Familie: 34 CHF. Eine Pizza Margherita kostet im Lokal knapp 22 CHF. D.h. man kann in der Schokoladenfabrik dreimal mit der Familie Mittag essen zum Preis von einem Restaurantbesuch.
Die Hose vom Sohn hängt am Ende bis in die Knie, weil alles voll mit „Minörlis“ ist und er wird kurz nervös, als ich Taschenkontrollen am Ausgang andeute.
2) Baden im See. Diesmal mit Luftmatratze. Das Wasser auf schweizer Seite ist deutlich wärmer, weil die Gemeinden so reich sind, dass sie den See mit riesigen Tauchsiedern (rechts im Bild) auf Badewannentemperatur erwärmen können.
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Tag 6
Von Egnach nach Konstanz (zurück zum Ausgangspunkt), 25 Kilometer, alles flach.
Plötzlich Herbst. Nix wie heim.
Wunderbar geschrieben, Heiko, Danke fürs Teilnehmen lassen !!
Bin und bleibe Dein Fan. Tolle Texte – unkompliziert, schnörkellos, mal ein Augenzwinkern…, echt.
Gibt’s auch mal ein Buch von Dir? Ich würd’s auch verlegen?.
Danke fürs Teilhaben lassen!
Toll. In dem Alter wird es ja immer einfacher.
Wir sind da ein paar mal von München aus mit der RB in Richtung Alpen gefahren und sind dort 1-2 wöchige Touren geradelt.
Manchmal war es nur etwas knifflig, möglichst autofreie Strecken zu finden.
Ich liebe deinen Humor! So wunderbar geschrieben – vielen Dank!
Ich finde es famos, danke dir.
Hallo Heibie,
wow, ein wunderschöner Bericht über den Bodenseeradweg. Auch wirklich tolle Bilder. Ihr hattet wohl auch viel Zeit fürs Schwimmen!
Ich mache gerade eine Recherche über den „Radweg um den See“ und möchte dich etwas ausführlicher nach deinen Erfahrungen fragen. Würde das passen?
Viele Grüße,
Markus