Beruflich musste ich mich in den letzten Wochen sehr viel mit der neuen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) befassen. Alle Kunden waren da ein bisschen aufgeregt. Und zwar alle gleichzeitig und alle zwei Wochen vor Fristende. Irgendwann ist mir dann aufgefallen, dass man DSGVO super auf diesen alten Disco-Hit singen kann. Ab da war alles nur noch halb so schlimm (und wenn ihr wirklich auf den Link geklickt habt, habt ihr jetzt einen Mörderohrwurm)
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Meine Tochter hört immer wieder gerne Die drei !!! – Hörspiele. Wer die nicht kennt: das ist das weibliche Gegenstück zu Die drei ???. Drei Detektivinnen lösen hier die Fälle. Eigentlich eine gute Idee, aber:
Die Jungs schlagen sich mit Teufeln, Totenköpfen und Mumien herum, die Mädels ermitteln auf dem Laufsteg, dem Ponyhof und sind ansonsten ständig verliebt und haben Trouble mit den Boys. Warum und WTF?!
Begründung von meinem Stammtisch (ausgedacht, ehrlich!): „Es wird ja gekauft. Schminken, Love & Fashion. So sind sie halt, die Girls.“
Begründung vom Verlag: „Im Leben vieler Zehnjährigen spielen Mode, Lifestyle und Jungs nun mal eine große Rolle, der Verlag bediene also nur, was von den Leserinnen erwartet würde. Und aufgrund unterschiedlicher Interessen sei eine Trennung in Jungen- und Mädchenthemen durchaus sinnvoll.“ (Quelle)
Meine Tochter hört gerade auch sehr gerne die Teufelskicker – Hörspiele. Ich hab sie gefragt, was sie an denen besser als an den Wilden Kerlen findet (Thema ist ja ähnlich) und sie meint: „Da spielen mehr Mädchen mit“. Ich hab das inhaltlich nicht gegengeprüft (in der offiziellen Mannschaftsaufstellung ist nur ein Mädchen vermerkt), aber sie nimmt das auf jeden Fall so wahr und für sie ist das ein wichtiges Kriterium.
Vielleicht ist es ja auch so: Mädels interessieren sich primär gar nicht für Duell der Topmodels und Kuss-Alarm, sondern für Geschichten mit weiblichen Protagonistinnen. Der Markt kombiniert das aber immer noch viel zu oft mit den bekannten Klischees (oder lässt weibliche Figuren nur am Rand laufen), anstatt sich mal was Neues auszudenken. Ich würde dafür gerne bezahlen, meine Tochter würde es gerne lesen/hören/kucken.
Und weil man ja nicht immer nur meckern soll, hier gleich ein Serien-Tipp, der es besser macht: Willkommen in Gravity Falls (Netflix). Die Geschwister Mabel und Dipper erleben bei ihrem etwas seltsamen Gronkel Sam spukige Abenteuer. Die Serie ist sehr witzig (auch für Erwachsene) und bietet mit Mabel eine weibliche Hauptfigur, die schon am Ende der ersten Folge abseits gängiger Girls-Klischees handelt. Kann man gut mit etwas älteren Kindern, so ab 8-10, anschauen.
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Wo kommen diese ganzen Rollenklischees her? Wie funktionieren Beziehungen zwischen Männern und Frauen? Und hat Prince Charles Diana wirklich geliebt? Es gibt einen Comic, der all diese Fragen (und mehr) beantwortet.
Autorin: Liv Strömquist (schwedische Feministin), Titel: Der Ursprung der Liebe. Und dann noch dieses Cover!?
Mein Stammtisch (ausgedacht, ich schwör!) wechselt da schnell das Gesprächsthema auf Fußball. Gute Idee, weil die Leseempfehlung hab ich aus einem Fußballpodcast. Strömquist zeichnet sowas wie eine Kulturgeschichte der Romantik (mit vielen Fußnoten). Was extrem dröge und anstrengend klingt, ist in Wahrheit sehr, sehr witzig und vollgepackt mit popkulturellen Anspielungen. Großer Erkenntnisgewinn, große Empfehlung!
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Noch mehr Comic: Nerdgirl von Sarah Burrini, Girlsplaining von Katja Klengel und ein Deutschlandfunk-Feature über Geschlechterklischees im Comic.
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Marlies Krämer hat ihre Sparkasse verklagt weil auf dem Überweisungsvordruck nicht „KundIN“ steht.
Mein Stammtisch (fiktiv, logo!) so: „ Soll sich mal nicht so haben. Gibt’s denn keine größeren Probleme?“
Und Marlies Krämer so (den Besucher aus Berlin bitte mit ausgedachter Stammtisch aus München ersetzen):
„Das, geschätzter Besucher aus Berlin, ist eine typisch männliche Frage. Sprache ist Ausdruck von Denken, Fühlen, Reden, Tun und Handeln. Sie ist unser wichtigstes Integrationsmittel und unser höchstes Kulturgut! Aber wir Frauen kommen in unserer Muttersprache gar nicht vor! Als gäbe es uns überhaupt nicht! Obwohl wir mit 52 Prozent die Mehrheit der Bevölkerung darstellen. Wir werden ständig geschlechtsumgewandelt, zum Mann umfunktioniert und damit totgeschwiegen. Sprache beeinflusst unser Denken und bestimmt folglich auch unser Handeln.“
Die Frau ist 80 Jahre alt und hier ist ein schönes Portrait über ein beeindruckendes Leben.
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Viele Menschen glauben gerade ja wieder, früher sei alles besser gewesen. (Wählscheibentelefon, Frau am Herd und Sendeschluß um Mitternacht). Die Zahlen von Hans Rosling stören da nur, die Schönfärberei von Christian Stöcker sowieso.
Früher war jedenfalls ganz schön viel scheiße. Früher wurden z.B. unverheirateten Frauen ihre Kinder zur Adoption abgeschwatzt (wegen Schande). In Deutschland. Bis mindestens Ende der 70er Jahre. Unfassbare Geschichte im aktuellen ZEIT Magazin (ZEIT+, kostet die Mailadresse) und bei Bayern2.
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Jetzt aber mal genug von dem ganzen Frauenkram. Kommen wir zum männlichsten Musikgenre der Welt: 80er-Jahre-Hairmetal! Ein wogendes Meer aus hochtoupierten Haaren. Unfassbar.
https://www.youtube.com/watch?v=EtvcAzXlHtw
Schon immer eine geschmackvolle Frisur hat: Bernd Begemann. Er ist jetzt auf Instagram und fährt mit seiner Tochter in Urlaub. Folgen!
Auch folgen (nur wenn ihr wollt): Playlist zu diesem Newsletter.
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Ich hab meiner Tochter Manowar vorgespielt („Nicht so mein Geschmack, Papa„) und Plattencover gezeigt. Dann hat sie mich gefragt, ob eigentlich auch Frauen in Rockbands spielen. Aus Reflex hätte ich beinahe Doro gesagt. Zum Glück sind mir dann aber noch The Baboon Show eingefallen. Radio Rebelde ist jetzt schon mein Sommeralbum 2018 (und der Sommer fängt gerade während ich das tippe erst offiziell an)
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Danger Dan – Sand in die Augen
Text-Bildschere-Video. Danger Dan aus der Antilopen Gang ist ein feiner Kerl und sagt schlaue Sachen.
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Pennywise – Won‘t give up the fight
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https://www.youtube.com/watch?v=mKP0u9vHz1M&feature=youtu.be
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Ash feat. The Undertones – Teenage Kicks
https://www.youtube.com/watch?v=tltBtQu5TlE
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Naked Lunch – Here come the bells
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Donots – Keiner kommt hier lebend raus
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Biffy Clyro – Many of horror (unplugged)
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In eigener Sache:
Ich mache beim „Lerntreff Deutsch“ im Gasteig München als Tutor mit und wir sind dringend auf der Suche nach weiteren, ehrenamtlichen Helfern und Helferinnen. Alle Infos hab ich hier zusammengeschrieben. Ich freue mich, wenn ihr das weiterverteilt, rumerzählt oder vielleicht sogar selbst mal vorbeischaut!
Einen kleinen Twitterbot hab ich gebaut. Der @marcuswiebot wird mit allen Texten der Band Kettcar gefüttert und remixed daraus neue, bisher nicht dagewesenen Textzeilen.
Bei dasnuf.de durfte ich einen Fragebogen zum Dauerbrennerthema Medien, Familie, Kinder und Gedöns beantworten.
Und über die Pfingstferien waren wir auf Korsika, haben Nutztiere gesehen, meine Frau hat ihre haushohe Überlegenheit in Krisensituationen bewiesen, wir sind gewandert, gewandert, gewandert, gewandert und im Stau gestanden.
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Der Witz zum Schluß kommt von Patricia:
„Mama, Mama! Mir ist kalt …“ – „Stell dich in die Ecke, die hat 90 Grad.“
Wenn Ihr auch einen Lieblingswitz habt, dann schickt mir den doch bitte an postvon@heibie.de. Ältere Ausgaben meines Newsletters kannst Du im Archiv nachlesen.
schamlose eigenwerbung in sachen frauen in rockbands:
http://goldneranker.com/musik.htm
entschuldigung, danke und auf wiedersehen.
ps: leicht ekliger witz:
„herr doktor, her doktor, kann man eigentlich mit durchfall baden?“
„na wenn Sie die wanne vollkriegen…“
„Post von @heibie“ ist lesenswert und setzt sich diesmal wieder mit Rollenklischess auseinander.
(Und der Witz am Schluss ist der Börner, ehrlich! Ich habe so laut gelacht, dass NachbarInnen aus der Mittagsruhe geschreckt sind.)
bielinski.de/2018/06/post-v…
Mädchen irgendwie feministisch und gegen gängige Rollenklischees zu erziehen, darüber wird viel geredet und, zu Recht, dran gearbeitet.
Wie sieht’s aber mit den Jungs aus? In der New York Times erschien vor einem Jahr der Artikel „How to raise a feminist son“ und im Lila Podcast wurde das Thema vor ein paar Ausgaben auch diskutiert. Schnellzusammenfassung: Jungs sollen so sein dürfen, wie sie wollen, in die Hausarbeit mit eingebunden werden, sich um sich selbst kümmern, sich um andere kümmern, Mädchen respektieren und, sehr wichtig: Gefühle zulassen und artikulieren, Schwäche zeigen können.
Hört sich alles super an, find ich gut, mach ich bei meinem Sohn genau so.
Mach ich das wirklich so? Praktischerweise hab ich noch eine Vergleichstochter und nach einmal kurz gegenchecken kommt raus: Natürlich hab ich in den letzten 11 Jahren (Moment mal! Wird der nächste Woche wirklich 11!?!?!) unzählige Male in den Topf mit diesen oder ähnlichen Klischeesätzen und Zuordnungen gegriffen.
Warum? Eine küchenpsychologische Blitzanalyse hat ergeben, dass ich das in meiner Kindheit oft gehört habe und viele dieser Rollenzuschreibungen auch Teil meiner Erziehung waren. Das prägt sich ein und ich wiederhole es unreflektiert den eigenen Kindern gegenüber.
Wenn sogar Hitler Erziehungsgrundsätze bis heute beeinflussen kann, dann kann das die Erziehung unserer eigenen Eltern noch allemal effektiver und unterschwelliger.
Jedes mal, wenn ich also den Satz „Jungs sind eben so“ gesagt (oder gedacht) habe, habe ich auch genau festgelegt, wie sie eben nicht sind, nicht zu sein haben.
Und jetzt kommen IDLES ins Spiel. IDLES kommen aus England und haben das beste Gitarrenalbum des Jahres 2018 eingespielt (eine schönes Portrait hat der Guardian). Auf Joy as an Act of Resistance befindet sich auch der Song Samaritans. Darin singt sich Joe Talbot seine ganze Wut darüber von der Seele, wie Jungs und Männer auch heutzutage immer noch sein müssen, wie sie mit Problemen umgehen sollen:
Saufen, weitermachen, Kopf hoch, nicht weinen, keine Schwäche zeigen, eben: grow some balls! (und das neue Buch von Kollegah kaufen, lol).
Refrain: This is why you never see your father cry!
Wenn das auch heute noch die wichtigsten Verarbeitungsstrategien für männliche Unsicherheit und Gefühle sind, muss man sich nicht wundern, dass die meiste Gewalt immer noch von Männern ausgeht und solche Fragen noch ernsthaft gestellt werden.
Samaritans ist der Song, der mich, seit dem Finale von Sing, am meisten bewegt hat. Ich freu mich schon darauf IDLES am Freitag live zu sehen. Fäuste in die Luft, ein Tränchen eben genau nicht verdrückt und vielleicht umarm ich noch meine Konzertbegleitung (mal gucken, was sich spontan ergibt).
Podcastempfehlungen in aller Kürze: Harald Schmidt ist, zumindest in diesem Gespräch, doch nicht so alt und verbittert, wie ich befürchtet hatte, Robert Habeck läuft durch die Gegend, Anne Will ist sympathisch und schlau, mein Freund @abspann macht schon seit 100 Jahren ein sehr gutes Comicmagazin und durfte beim DLF kurz darüber reden, das Smartphone verändert uns, Bibliotheken haben wesentlich mehr Aufgaben, als nur Bücher zu verleihen und sehr spannend und unterhaltsam fand ich die Hörspielfassung von Julie Zehs Roman Unterleuten und den True-Crime Podcast Das Versprechen.
Auf Facebook hat ein Freund nach einem guten Klaviertransportdienst gefragt. Hab ich natürlich keine Ahnung von, was mich aber nicht daran hindert mit einem Link auf die komplette Folge Dick und Doof zu antworten, in der Stan und Olli ein Klavier transportieren.
Zum letzten Get well Soon Album hat die btf eine düstere Miniserie produziert, die nicht unbedingt gute Laune macht, mir aber gefallen hat.
In eigener Sache: Dirk hat sich die Internetstrasse ausgedacht. Ich fand das sofort super und unterstütze die Idee. Wenn ihr das auch gut findet und grad in einem Neubaugebiet ein Haus baut: wie wärs mit einer Internetstrasse? Euer Gemeinderat wartet nur auf Euch! (wenn ihr es albern findet: auch ok)
Und jetzt: Musik.
Während das Bauhaus Dessau noch immer zögert, hat die Klasse 2c aus Hamburg schon im Sommer Fakten geschaffen, toxische Metalmännlichkeit lebt sich auf youtube vor Muttis Sofaecke aus, diese zwei Mädchen sind wütend und zögern nicht von der Schwimmnudel Gebrauch zu machen, so klingt Bohemian Rhapsody in 42 Musikstilen und so Master of Puppets mit Macarena Beat.
Richtig, echte, ganze Songs haben sich über den Sommer so viele angesammelt. Eine kommentarlose, unsortierte Auflistung folgt und kann wie immer auch über die Spotify-Playlist zu diesem Newsletter abonniert werden. Nach den Videos kommt der Witz zum Schluss, Ehrensache!
Goldner Anker – KaputtGoldner Anker haben mir schamlos in die Kommentare zur letzten Newsletterausgabe Werbung gepostet. Und wenn mir schamlose Werbung gefällt, verlinke ich sie sehr gerne.
IDLES – Samaritans
The Get Up Kids – Maybe
Marteria & Casper – Champion Sound
Eko Fresh – Aber
Leoniden – Kids
Mattiel – Count Your Blessings
Alkaline Trio – Blackbird
Orla Garland – Big yellow taxi
The Screenshots – Cornetto
VSK – Schönen Guten Tag
Matula – Dein Platz ist hier
Moop Mama – Molotow
Basement – Covet
Kurt Vile – Loading Zones
Therapy? – Wreck It Like Beckett
Joey Cape & Chris Cresswell – To all my Friends
Phillip Boa and the Voodooclub – Nightclub Flasher
Marc Ribot – Bella Ciao (feat. Tom Waits)
Isolation Berlin – Serotonin
Weezer – Can’t Knock The Hustle
Pascow – Silberblick & Scherenhände
Bad Religion – The Profane Rights Of Man
PeterLicht – Menschen
Dave Hause- Lemon Hill
T der Bär – SteSteSte
Deerhunter – Death in Midsummer
Den Witz zum Schluss hab ich mir dieses mal selbst ausgedacht. Heute morgen beim Frühstück:
Wenn Ihr auch einen Lieblingswitz habt, dann schickt mir den doch bitte an postvon@heibie.de. Ältere Ausgaben meines Newsletters kannst Du im Archiv nachlesen.