Homeoffice im Bett

Die SPD fordert ein „Recht auf Homeoffice“ und bebildert das ganze in einem Tweet mit einem Stockfoto, das zeigt, wie sich viele das Arbeiten im Homeoffice immer noch vorstellen. Im Jogger im Bett abhängen, bisschen surfen, nur die Latte Machiato fehlt noch. Ich habe die letzten drei Jahre fast komplett zu Hause gearbeitet (festangestellt in Teilzeit, ja auch sowas geht). So sah ein durchschittlicher Arbeitstag bei mir aus:

Homeoffice bedeutet zunächst mal: kein Weg zur Arbeit. Die gesparte Zeit nutze ich manchmal für ein längeres Frühstück oder Joggen, meistens aber dann doch für Hausarbeit (1. Waschmaschine).

Danach an den Schreibtisch. Komplett angezogen. Ich sitze in den drei Jahren wirklich niemals in Jogging- oder komplett ohne Hose da (was mich nicht davon abhält selbst darüber Witze zu machen).

Es folgt: Arbeiten. Und zwar meistens wesentlich konzentrierter, als in meinen Bürojahren zuvor. Kein Kollege, der vom Schreibtisch gegenüber schlechte Witze macht, keine Kollegin, mit der man auf einen kleinen Plausch in der Kaffeeküche hängen bleibt. Meine Raucher/Kaffeepausen mache ich zwischendurch auch. Aber weil keiner da ist und ich nicht rauche, bestehen die meistens aus Hausarbeit (Wäsche aufhängen, 2. Waschmaschine).

In der Mittagspause sind die Essenreste vom Vortag meine Kantine, bei schönem Wetter in der Sonne auf dem Balkon. Dann noch schnell bisschen Hausarbeit (Spülmaschine) und zurück an den Schreibtisch.

Am späten Nachmittag dann Feierabend. Erst mal wieder Hausarbeit (Wäsche aufhängen, 3. Waschmaschine). Nach einer halben Stunde kommen die Kinder heim. Quatschen („Wie wars in der Schule?“ – „Gut“), Probleme besprechen („Alles ok?“ – „Jo“), Hausaufgabenhelfen, aber auch mal was spielen.

Immer wieder aber auch: noch mal schnell zurück an den Schreibtisch, wichtige Mail, das noch vergessen, hier noch was fertig machen. Der Rechner steht auch nach dem offiziellen Feierabend immer noch da, das Gehirn schaltet oft nicht komplett in Feierabendmodus. Das Büro sollte jetzt eigentlich nur noch Wohnzimmer sein. Funktioniert aber leider immer wieder nicht so gut.

Wenn mal ein Kind krank ist, bin ich ja schon daheim. Das ist praktisch und funktioniert mit Schulkindern und dank Netflix ziemlich gut. Ich kann weiter arbeiten und in den kurzen Pausen, statt Waschmaschine ausräumen, trösten und den kalten Waschlappen auf der Stirn auswechseln.

Nach drei Jahren Homeoffice-only: Es hat die Vereinbarkeit von Beruf und Familie auf eine sehr praktische Art tatsächlich vereinfacht. Ich war immer vor Ort, konnte auch mal ein krankes Kind von der Schule abholen. Weil ich immer daheim war, hab ich auch von den Dingen, die die Kinder gerade so beschäftigen viel mehr mitbekommen. Und in den Pausen zwischendurch hab ich ziemlich viel Hausarbeit erledigt.

Und damit bin ich dann auch schon bei den Nachteilen: ich habe effektiv weniger Pausen gemacht. In den Lohnarbeitspausen hab ich meistens irgendwas gearbeitet, wofür es leider keinen Lohn gibt (außer natürlich die ewige Dankbarkeit der anderen Familienmitglieder. Sie geben einem soooo viel zurück!).

Insgesamt bin ich mit der Trennung von Arbeit und Privatleben im Homeoffice für mich persönlich noch nicht so ganz zufrieden. Noch zu oft hat Vereinbarkeit in der Praxis eher Vermischung von Beruf und Familie bedeutet. Und weil persönlicher Kontakt zu Kollegen auch wichtig ist und von einer Facetime-Standleitung nur bedingt ersetzt werden kann, arbeite ich seit ein paar Monaten wieder zu 2/3 im Büro und nur noch 1/3 im Homeoffice.

Was ich in den drei Jahren allerdings nie gemacht habe: Im Wohlfühlanzug mit Laptop im Bett liegen.

8 Gedanken zu „Homeoffice im Bett“

  1. Wer sich für mehr Homeoffice einsetzen möchte, um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu ermöglichen, könnte mehr als zwei Minuten in eine passende Bildwahl investieren.
    Neulich twitterte der Social Media-Account der SPD, dass die SPD für ein Recht für mobiles Arbeiten kämpfe und bebilderte dies wie folgt:

    Arbeit bedeutet immer präsent sein? Das finden wir nicht mehr zeitgemäß. Arbeit soll sich Deinem Leben anpassen! Darum kämpfen wir für ein Recht auf mobiles Arbeiten ? #zukunftinarbeit #Homeoffice pic.twitter.com/1PYokwmE3V
    — SPD Parteivorstand (@spdde) February 27, 2019

    Homeoffice ermöglicht Vereinbarkeit
    Für einen Vortrag zum Thema „Vereinbarkeit von Familie und Beruf – Welche Tools sind sinnvoll?“ habe ich mich erst kürzlich sehr intensiv u.a. mit dem Thema Homeoffice auseinandergesetzt. Liest man nämlich Studien zum Thema Vereinbarkeit, wird v.a. Homeoffice als das zentrale Element in Sachen Vereinbarkeit von Job und Familie genannt (z.B. „Digitalisierung – Chancen und Herausforderungen für die partnerschaftliche Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ Roland Berger für das BMFSFJ). Schaut man dann nochmal eine Ebene tiefer und fragt sich: „Was genau zahlt beim Thema Homeoffice auf Vereinbarkeit ein?“, wird die Antwortlage dünn. Im Grunde wird als Argument nur genannt, dass man durch Homeoffice Wegezeiten spart. Das ist richtig und je nach Lage des Arbeitsplatzes tatsächlich eine große Ersparnis. Ich wohne sehr nah an meinem Arbeitsplatz, spare am Tag trotzdem zwischen 60 und 80 Minuten, wenn ich von Zuhause aus arbeite.
    In keiner Studie habe ich bislang gefunden, was ich am Homeoffice zusätzlich praktisch finde. Das wäre auf der einen Seite etwas, das ich „fragmentiertes Arbeiten“ nenne und auf der anderen Seite etwas, das ich unter „konzentriertes Arbeiten“ zusammenfasse.
    Letzteres ist leicht zu erklären. Ich arbeite in einem Großraumbüro. Hinter mir, vor mir, neben mir wird geredet, telefoniert, Menschen kommen rein, stellen Fragen („Wo finde ich Frau XY, ich habe hier ein Paket?“). Es gibt zwar extra Räume, um Telefonate zu führen – aber ich gestehe, in 80% der Fälle benutze ich sie so wie meine Kolleginnen und Kollegen nicht, denn dann wäre ich eigentlich 40% meiner Arbeitszeit in diesen Räumen. Ich versuche leise zu telefonieren, aber dann hat man mal jemanden am Telefon, der am Bahnhof steht oder die Verbindung ist schlecht und so wird schnell aus dem geplanten Fastflüstern ein mindestens deutlich bei Zimmerlautstärke liegendes Gespräch.
    Im Homeoffice habe ich das alles nicht. Ich sitze da an meinem Schreibtisch und arbeite. Durch andere Menschen gibt es in der Regel keine Unterbrechung.
    Lediglich ich unterbreche mich manchmal selbst und zwar weil ich eine Waschmaschine ausräume. Das nenne ich „fragmentiertes Arbeiten“. Anscheinend ein Tabuthema in Sachen Homeoffice. Ich jedoch sehe das unproblematisch, denn ich mache das zwar während – nicht aber in meiner Arbeitszeit. Ich komme aus der IT und habe mehr als zehn Jahre jede Sekunde meiner Arbeitszeit verbucht. Wenngleich ich den Sinn verstanden habe, war es für mich am Anfang komisch und ich habe mich überwacht gefühlt. Aber wie soll man sonst umfangreiche Kundenrechnungen erstellen oder einen Überblick bekommen, wie aufwändig Kunden im Management sind und wo man Prozesse vielleicht noch optimieren kann, um weniger Projektleitung zu benötigen? Ich bin also morgens in mein Büro gegangen, habe angefangen zu arbeiten, hab meinen Issuetracker (so heisst das Zeiterfassungstool) auf das entsprechende Projekt gestellt und wenn ich etwas für ein anderes Projekt gemacht habe, habe ich den Issutracker umgestellt.
    Diese Arbeitsweise prägt. Ich buche in der Zwischenzeit nicht mehr, aber ich habe das System verinnerlicht. Wenn also meine Waschmaschine ruft, dass ich die Wäsche ausräumen soll, dann mache ich das, wenn es gerade in den Ablauf meiner Arbeit passt und hänge die Zeit, die ich für die Wäsche benötige, hinten an meine Arbeitszeit ran.
    Natürlich zahlt die Möglichkeit Homeoffice zu machen auch auf den Punkt flexible Arbeitszeiten ein. Wenn ich Homeoffice mache, ist es egal, ob wir auf dem Weg in den Kindergarten ein oder drei Baggern begegnen und das Kind deswegen 5 oder 15 Minuten staunt. Ich kann es entspannt in den Kindergarten bringen und dann an meinen Arbeitsplatz Zuhause gehen.
    Homeoffice bedeutet mehr arbeiten
    Ganz interessant im Zusammenhang mit dem Thema Homeoffice sind die Ergebnisse einer erst kürzlich veröffentlichten Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung. Zum einen wird hier festgestellt, dass im Homeoffice grundsätzlich mehr gearbeitet wird als am Präsenzarbeitsplatz, weil die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verwischen und man doch immer nochmal schnell zwischendurch eine Mail beantwortet, ein Feedback in eine Präsentation einarbeitet oder eine Unterlage fertig arbeitet.
    Zudem gibt es einen spannenden Unterschied zwischen Müttern und Vätern: „Mütter, die im Homeoffice arbeiten, kommen demnach in der Woche auf drei Stunden mehr Betreuungszeit für die Kinder als Mütter, die nicht von Zuhause arbeiten können. Zugleich machen sie eine zusätzliche Überstunde im Job. Bei Vätern sieht es anders aus: Sie machen im Homeoffice mehr Überstunden – wöchentlich zwei mehr als Väter ohne Heimarbeit –, nehmen sich aber nicht mehr Zeit für die Kinder.“
    D.h. Mütter und Väter arbeiten insgesamt mehr, investieren die gewonnene Zeit (die wegen der wegfallenden Wegezeiten immer noch in Summe verfügbar ist) dann unterschiedlich in die Familienarbeit.
    Aber sei es drum – zurück zum Anfang meines Artikels und damit zum Tweet der SPD. Das gewählte Bild gibt mitnichten wieder was Homeoffice bedeutet. (Wobei hier im Text auch mobiles Arbeiten und Homeoffice in einen Topf geworfen wird, was nicht unbedingt sinnvoll ist, weil Homeoffice wirklich einen festen Arbeitsplatz meint, der auch entsprechend ausgestattet ist). Es zeigt Homeoffice als Livestyle. Irgendwas, das man so lockerflockig in Kuschelhose auf dem Bett liegend macht und das zementiert das Vorurteil, dass im Homeoffice nicht ordentlich gearbeitet würde.
    Natürlich muss ich mich für eine qualitativ gute Arbeit nicht in einen Blazer werfen und kann Homeoffice durchaus in Schlabberhose machen – allerdings nicht acht Stunden auf dem Bauch liegend mit den Beinen wippend.
    Mir wäre die Bebilderung auch total wumpe, wenn es nicht immer noch harte Vorurteile gegen das Arbeiten im Homeoffice gäbe. In vielen Unternehmen ist Homeoffice laut Betriebsvereinbarung möglich. Anerkannt ist das Arbeiten im Homeoffice deswegen lange noch nicht. Das liegt zum einen an den absurden Rahmenbedingungen. So muss Homeoffice in manchen Unternehmen mehrere Tage im Voraus angemeldet und explizit durch den Vorgesetzten freigegeben werden z.B.
    Der Präsenzkulturkult ist nicht auszurotten
    Zum anderen ist der Kult der physischen Präsenz immer noch weit verbreitet. Wer Karriere machen will, ist da. Vor allem Führungskräfte sollen sichtbar sein und diese sichtbare Präsenz wirkt sich nach wie vor positiv auf die Karrierechancen aus.
    In Unternehmen mit so einer Kultur, gibt es zahlreiche „witzig gemeinte“ Kommentierungen, wenn man im Homeoffice arbeitet. Nicht nur ich höre Sprüche wie „So wie Du arbeitest, möchte ich mal Urlaub machen.“ oder „Na, machste wieder früher frei?“ (Wer weitere Kommentierungen lesen möchte, liest die Antworten auf den verlinkten Tweet)
    Anmerkungen dieser Art vergiften die Unternehmenskultur. Verzichtet selbst darauf und lächelt sie nicht weg, wenn ihr sie zu hören bekommt, sondern erklärt, dass Kommentierungen dieser Art eine Kultur des Misstrauens etablieren. Denn dahinter steckt ein schlechtes Menschenbild des Arbeiters/Arbeiterin, der/die nicht eigenmotiviert arbeiten möchte, sondern durch Überwachung zum Arbeiten gezwungen werden muss.
    Menschen, die einen Freitag im Homeoffice mit „Na, gehts ins verlängerte Wochenende, höhöhö?“ kommentieren, sind genau die Menschen, die sich vorstellen, wie man bäuchlings Latte Macchiato schlürfend Homeoffice in Anführungszeichen macht. Deswegen finde ich, könnte man, wenn man sich als Partei für mehr Homeoffice einsetzt wirklich auf eine bessere Bebilderung achten. Denn das Problem sind vielleicht gar nicht so sehr die Unternehmen, die gar kein Homeoffice anbieten, sondern die, die es laut Betriebsvereinbarung tun und dann aber die Arbeitnehmer/innen, die es in Anspruch nehmen als nicht leistungsbereit abstempeln.
    P.S. Das Bild hätte übrigens noch schlimmer gewählt sein können. Zum Beispiel indem man der Frau noch ein Kleinkind oder Baby auf den Schoß gesetzt hätte. Das ist nämlich Variante B der Stockfotografie zur Bebilderung von Homeoffice. Mit Baby und Kleinkind im Homeoffice lässt sich aber wirklich kaum arbeiten und wer Homeoffice sagt, wenn er (kranke) Kleinkinderbetreuung meint, der tut den Kolleginnen und Kollegen auch keinen Gefallen.
    Bebilderung mag eine Kleinigkeit sein, doch sie schafft oder zementiert Vorurteile, die am eigentlichen Motiv total vorbei gehen. Deswegen lohnt es vielleicht doch drei Minuten länger nachzudenken. Regelmäßiges Homeoffice ist dann z.B. ein Schreibtisch, mit einem ergonomischen Stuhl, einem externen Bildschirm und einer Maus. Ich habe bei Pixabay unter dem Stichwort „Homeoffice“ kein geeignetes lizenzfreies Bild gefunden – die SPD wohl auch nicht. Passende Fotos liefert wohl nur die Realität:

    Mit Verlaub: #HomeOffice heißt „Office“ weil man da konzentriert arbeitet. Dieses Bild suggeriert laxes rumspielen und nebenbei ein wenig so tun als würde Mensch arbeiten. Das ist nicht nur irreführend, das beleidigt all diejenigen, die zuhause wirklich arbeiten! pic.twitter.com/bqsAbi6FeD
    — Stefan Hinker (@StefanHinker) February 28, 2019

    Lest auch den Artikel von Heiko Bielinski zum Thema Homeoffice: „Was ich in den drei Jahren allerdings nie gemacht habe: Im Wohlfühlanzug mit Laptop im Bett liegen.

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  2. Vor 7 Jahren habe ich angefangen teilweise von zuhause zu arbeiten, mit ein oder zwei HomeOffice Tagen. An denen hatte ich schlicht die pendelzeit durch zusätzliche Arbeitszeit ersetzt.
    Seit drei Jahren bin ich vollständig im HomeOffice, was nur funktioniert weil ich immer einen eigenen Raum dafür hatte und die Regel ‚wenn die Tür zu ist, nicht stören‘ fast immer eingehalten wird.

    Genau wie von dir beschrieben gab es bisher keinen Tag wo ich mich nicht fertig gemacht hätte, wie um ins Büro zu gehen und dann an den Schreibtisch.

    Das vermittelte Bild aus dem Tweet ist toxisch und führt nur dazu das die Realität falsch gesehen wird.

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    • Nun, ich wäre mir bei dem Foto nicht so sicher))) Ich denke, dass es einen gewissen Prozentsatz von Leuten gibt, die genau so arbeiten)))
      Aber im Ernst: Manchmal ist es schwierig, persönliche Zeit und Arbeitszeit aufzuteilen. Ich versuche auch, mich so zu benehmen, als würde ich im Büro arbeiten.

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