In der aktuellen Nido-Ausgabe gibt es die Geschichte „33 Dinge, die mit Kindern erst so richtig Spaß machen“. Eines von diesen 33 Dingen ist „Lästern“. Der oder die Autorin Autor (es handelt sich um eine Sammelgeschichte, die einzelnen Texte sind nicht namentlich gekennzeichnet) ist der Meinung, daß gemeinsames Lästern „das Band zwischen meiner Tochter und mir stärkt.“ und dass das aber nicht so schlimm sei weil die belästerte Person das ja nicht mitbekommt. Im konkreten Fall wird über eine „sehr korpulente Frau“ gelästert. Das Lästern ist wichtig, weil Tochter und Autor dadurch zu einem „Stamm“ werden. Der ganze Text ist nicht online, deshalb hier ein Auszug.
Echt jetzt? Bodyshaming? Ihr? 2017? Mega daneben… pic.twitter.com/J5HPtFYfU2
— Okaybritta (@Okaybritta) March 20, 2017
Unabhängig von einer Grundsatzdiskussion über Lästern und was das überhaupt für eine Beziehungsbildung zum Kind ist, die auf Vorurteilen und Ausgrenzung von anderen Menschen basiert, Folgendes:
„Papa, findest Du mich zu dick?“, „Der XXX hat gesagt, die YYY ist zu fett und muss eine Fettabsaugung machen. Stimmt das?“
Das sind zwei Fragen, die ich in den letzten zwei Jahren von meiner jetzt siebenjährigen Tochter gestellt bekommen habe. Ich hatte mit ihr bisher nicht darüber geredet, ob sie zu dick ist oder was eine Fettabsaugung ist.
In beiden Fällen wurde das Thema von gleichaltrigen Kindern aufgebracht. Wie kommen diese Kinder auf sowas? Offenbar gibt es in ihrem Umfeld erwachsene Personen, die Körpergewicht und Fettabsaugung thematisieren und sich über dicke Menschen lustig machen.
Es ist eben nicht egal, wenn man mit seinen Kindern über Andersartigkeiten von Menschen lästert. Der lästernde Erwachsene formt damit direkt das Menschenbild des eigenen Kindes (was mir noch egal sein kann), er formt damit aber auch ganz konkret das Menschen- und v.a. Selbstbild meiner Tochter (weil Kinder sowas eben nicht für sich behalten, wie es Erwachsene vielleicht können).
Es ärgert mich, mit welcher Selbstverständlichkeit das in dem Textkasten verharmlost, als erstrebenswert und beziehungsfördernd angepriesen wird. Ich habe wirklich gar keinen Bock darauf, dass sich meine siebenjährige Tochter schon Gedanken darüber macht, ob sie zu dick ist!
Disclosure: Ich hab früher für Nido gearbeitet und bis vor kurzem noch die Links der Woche für Nido.de geschrieben.
@froschdomse Lästern für Anfänger, Mobbing für Fortgeschrittene, Rassismus & Diskriminierung für Profis? So nicht! Bullshit.
also irgendwie hören mansche dem Knall einfach nicht oder wollen ihn nicht hören
Nun bin ich kein Vater, aber als Erzieher musste ich die Frage auch schon beantworten. Ich war einigermaßen fassungslos, als mir eine Achtjährige im Hort die Frage gestellt. Von ihren Eltern kam es nicht, dessen bin ich mir ziemlich sicher.
Ich verstehe nicht, was Erwachsene bzw. Erziehungsberechtigte reitet, sich über angebliche optische Makel Anderer lustig zu machen.
Guter Kommentar, danke dafür!
grundsätzlich stimme ich zu, finde nur „Andersartigkeiten von Menschen“ problematisch, da so eine implizite Norm reproduziert wird.
Dieser Vater hat sehr beschränkte Ideen, wie er das Band zur Tochter stärken kann. Und eine sehr bescheuerte.
Am besten fand ich die Passage, wo der Autor schreibt, dass sie einen gemeinsamen Feind brauchen. Also ist die kräftige Frau neben ihnen der Feind? Und als Beispiel die NATO zu nennen, also wirklich. Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Deswegen frage ich mich, wie diese Zeitschrift einen so schlechten Text veröffentlichen konnte. Und wie alle anderen bereits kommentiert haben, es ist wirklich traurig, dass der Autor nicht weiß, wie man das Band zwischen ihm und der Tochter auf einem besseren Weg stärken kann, als sich über andere lustig zu machen.
Sehr guter Text! Danke für die klaren Worte!
Liebe Grüße,
Nicole