in Tagebuch

Abgestimmt

Einmal im Jahr findet in jedem Münchner Stadtbezirk eine Bürgerversammlung statt. In meinem Stadtbezirk Au/Haidhausen sind es sogar zwei Versammlungen. Eine für die Au, eine für Haidhausen. Bei den Versammlungen können Bürger*innen Anträge einbringen. Bürgeranträge, die angenommen werden, müssen innerhalb von drei Monaten vom Stadtrat oder Bezirksausschuss behandelt werden (was nicht bedeutet, dass sie auch umgesetzt werden).

Mit meinem gelben Einladungsschreiben und Ausweis bewaffnet geht es am Abend in die nahe gelegene Turnhalle. Am Eingang erhalte ich meine Stimmkarte.

Mit der Karte kann ich jetzt die Hand heben. Oder auch unten lassen. Beides ist wichtig und sinnvoll.

Bei den letzten Kommunalwahlen hat eine Partei die meisten Stimmen gewonnen, die sich in ihrem Wahlprogramm deutlich für eine Verkehrswende ausgesprochen hat, insgesamt 160.000 Münchner*innen haben sich 2019 für den Radentscheid ausgesprochen, der Stadtrat hat die Ziele des Radentscheids übernommen, das städtische Mobilitätsreferat den Entwurf einer Mobilitätsstrategie 2035 erarbeitet. Parteiprogramme, Konzepte, Strategien, alle demokratisch legitimiert, mit Mehrheiten ausgestattet – und in allen steht drin, dass die Verkehrswende kommen soll.

Und jetzt kommt die Verkehrswende. Was bisher abstrakt war, rollt langsam auf die Straße. Es wird konkret und konkret wird es vor Ort. In den Stadtbezirken.

Das ist ein riesiger Veränderungsprozess. Und der gefällt nicht allen, der macht Menschen Angst, schafft Unsicherheiten. Das ist natürlich alles legitim, verständlich und man muss das erklären, moderieren, diskutieren.

Aber auch: die, die dagegen sind, sind meistens laut – die, die dafür sind, sagen eher nichts, weil: Es läuft ja schon alles so, wie man es gut findet. Man hat ja entsprechend gewählt.

Die Verkehrswende ist aber kein Selbstläufer. Die Transformation wird noch Jahre dauern und Politik wird Mut und Rückenwind brauchen, um das alles umzusetzen. Rückenwind mit Auftrag gab es bei den letzten Wahlen, die sind aber vier Jahre her und wenn man jetzt im Bezirksausschuss ganz konkret Verkehrswende vor der Haustür umsetzen will und der Gegenwind einsetzt, kann ein bisschen Rückenwindauffrischung von den Bürger*innen nicht schaden. Politiker*innen im Bezirksausschuss sind normale Menschen mit normalen Brotjobs, die das alles in ihrer Freizeit machen.

Die jährlichen Einwohnerversammlungen sind dazu eine gute Gelegenheit, aber auch die monatlichen öffentlichen Bezirksausschusssitzungen (alle BAs und Sitzungstermine). Dort kann jeder Anwohner vorbeischauen, Anträge einbringen oder einfach nur mit kurzem Applaus Zustimmung signalisieren.

Das stärkt zum einen der Politik den Rücken, zum anderen sorgt es für ein ausgeglichenes Bild in der öffentlichen Berichterstattung.

Bei der heutigen Sitzung geht es vor allem um den Radwegausbau in der Zeppelinstraße. Es gibt viele Bedenken und Gegenanträge, am Ende spricht sich aber eine knappe Mehrheit für den Ausbau des Radwegs aus.

Bezirksausschüsse, Gemeinderäte, Bürgerversammlungen gibt es auch in eurer Stadt oder eurem Ort. Geht da mal zu den Sitzungen, hört zu, sagt eure Meinung, stimmt ab. Seid dagegen, wenn ihr dagegen sein wollt, seid aber auch offensiv dafür, wenn ihr was gut findet!

 

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