Die beste Wetter-App aller Zeiten sagt eine Mischung aus den ersten beiden Tagen voraus. Wir gehen also raus, aber zur Sicherheit nicht mit dem Rad.
Mit dem ÖPNV Tagesticket geht es zum ersten Mal in die Kopenhagener U-Bahn und dort gleich große Überraschung: Das Ding fährt autonom. Das bedeutet zum einen: Der Bahnsteig ist komplett verglast mit Schiebetüren, die erst aufgehen, wenn der Zug hält.
Und zum anderen: Es gibt keine Zugmaschine. Man kann sich in den allerersten Wagen ganz vorne reinsetzen und wie so ein Tourist total fasziniert die Fahrt durch den Tunnel filmen. (Mittlerweile gelernt: in Deutschland gibt es auch schon eine autonome U-Bahnlinie. In Nürnberg.)
Dass es bei vielen U-Bahnstationen vor dem Abgang extra Fahrradabstellräume gibt – geschenkt. Wir haben es jetzt langsam kapiert, Kopenhagen.
Es geht in den Stadtteil Nørrebro. Dort wurde vor knapp 15 Jahren ein neuer Platz – oder vielleicht besser: Park – entlang eines Radweges gestaltet. Der Superkilen, übersetzt: Der Riesenkeil.
Der Riesenkeil ist unterteilt in drei Zonen. Die rote, die schwarze und die grüne Zone.
Nørrebro ist ein multiethnischer Stadtteil und der komplette Superkilen ist voll mit über hundert kleinen und großen Einzelelementen, die von den unterschiedlichen Herkunftsländern der Bewohner*innen inspiriert sein sollen. Ich sitze hier zum Beispiel auf einer Bank aus Deutschland. Ich besetze also die Deutschen Bank.
Auf der einen Seite sieht das alles irgendwie toll aus und es macht Spaß, da als Tourist durchzulaufen und auf den kleinen Schildchen zu lesen, aus welchem Land denn dieses feine Sitzmöbel jetzt schon wieder herkommt.
Auf der anderen Seite: Es wirkt auch ein bisschen, als hätten die Stadtplaner*innen und Künstler*innen hier eine etwas verkopfte Idee gehabt und auf der ganzen Fläche überall kleine und große Stadtmöbel abgeworfen, die mal ein bisschen anders sind als das normale durchschnittseuropäische, gut zu wartende Stadtmöbel. Beim Durchlaufen wirkt das alles jetzt nicht gerade voll ausgelastet mit Menschen. Ist aber natürlich auch nur eine touristische Momentaufnahme bei bewölktem Himmel und als um 12 Uhr die angrenzende Schule Mittagspause macht, wird es durchaus ein bisschen belebter.
Die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo in der Mitte. Ein paar Sachen funktionieren, ein paar aber auch auch gar nicht. Anders ist der Superkilen aber auf jeden Fall und man kann daraus bestimmt viel lernen und sich inspirieren lassen.
Die Stadtteilbibliothek an einem Ende des Superkilen ist schon wieder fast streberhaft dänisch schön. In einer alten Lagerhalle. Da kann man gut Kaffeepause machen.
Nach dem Stadtplanungsprojekt ist vor dem Stadtplanungsprojekt. Wir fahren weiter zum Israels Plads. Der zentral gelegene Platz war ursprünglich mal Marktfläche, dann viele Jahre lang Parkplatz.
Seit 2014 ist es jetzt ein öffentlicher Ort mit verschiedenen Aktivitätsmöglichkeiten, der an einen kleinen, grünen Park angrenzt. Und das Abgefahrene daran: Tagsüber ist er gleichzeitig Pausenhof und Spiel- und Sportplatz der drei direkt angrenzenden Schulen.
Als wir uns zum Mittagessen am Rand des Platzes niederlassen, sehen wir auf der ganzen Fläche Kinder und Jugendliche rumwuseln. Die ganz kleinen mit ihren unterschiedlich farbigen Westen, damit sie nicht verloren gehen, die größeren alleine beim Fußball, beim Basketball, beim Rumhängen. Keine Ahnung, wie die Erzieher*innen hier den Überblick behalten, aber es scheint zu funktionieren.
Unsere Kinder finden es maximal seltsam. Ein Pausenhof in aller Öffentlichkeit, nicht eingezäunt. Ich überlege mir, welcher Platz das in München sein könnte. Mariahilfplatz vielleicht. Und was da los wäre. Bei Eltern, die Angst um ihre Kinder haben, bei Anwohner*innen, denen das zu laut ist und die ihren Parkplatz zurückwollen. Es ist ja grad auf ein paar hundert Metern schon ein Problem, dass plötzlich Kinder auf der Straße spielen.
Nach der Mittagspause noch ein weiterer Abstecher in den Black Diamond, die königliche Staatsbibliothek. Der schwarze Diamant ist ein Neubau, der mit einer Verbindungsbrücke an den Altbau rangehängt wurde.
Die Bibliothek ist eine wissenschaftliche und besteht daher vor allem aus verschiedenen Lesesälen und Magazinbeständen. Im Eingangsbereich kann man sich aber gut aufhalten, Toilette nutzen, Kaffee trinken und auf das gegenüberliegende Ufer blicken.
Direkt bei der Bibliothek legt die ÖPNV-Fähre an und wir fahren noch mal mit dem Wassertaxi. Diesmal in die andere Richtung, nach Süden.
Vorbei am Hafenbad Islands Brygge.
Bis wir schließlich auf Verdacht Haltestelle Enghave Brygge aussteigen. Da kann man recht einsam rumsitzen und aufs Wasser schauen.
Ein Schild erklärt, dass hier ein neues Quartier entsteht, was speziell für Singles, Studenten und Senioren geplant wurde (es scheint so neu, dass man dazu relativ wenig in nicht dänischer Sprache findet).
Wir laufen ein bisschen durchs Viertel. Beim Stichwort Senioren werden die Kinder hellhörig und meinen, da könnten wir doch in ein paar Jahren dann einziehen. Weil es ist auch schon wieder wie in jedem Urlaub und die Kinder kennen es mittlerweile: Woanders wirkt alles attraktiver als zu Hause und wir überlegen eigentlich jedes Mal, ob es hier jetzt nicht auch ganz nett wäre. Wir haben also in den letzten Urlauben schon einiges durchgespielt. Es wurden diverse kleine Insel- oder Bergbibliotheken eröffnet und ich sah mich zuletzt als Fahrer der Binzer Bäderbahn meinen Lebensabend an der Ostsee verbringen. Ein paar gute Dadjoke-Durchsagen zur Unterhaltung der Touristen inbegriffen.
Enghave Brygge wirkt jedenfalls sehr nett auf uns. Noch ein bisschen wenig los, aber mit der Lage direkt am Wasser durchaus attraktiv, insgesamt recht autoreduziert. Recherchieren, ob die Mieten hier wirklich erschwinglich wären, soweit reichen Dänischkentnisse und Motivation dann aber nicht. Wir behalten das aber mal im Hinterkopf.
Zum Abendessen stranden wir am Rande von Enghave Brygge in einer Shopping Mall, in der Dalle Valle ein All-you-can-eat-Buffett zum Preis 2 für 1 anbietet. Um das Angebot zu nutzen, braucht man aber die Dalle-Valle-App, sagt der Kellner. Ich vermute, eine ausgeklügelte Anwendung mit allem Piepapo, lade die App in Anwesenheit des Kellners runter und klicke dort auf Gutschein.jpg. Dann lösche ich die App wieder. Buffet so mittel.
Dann Hotel und am nächsten Tag tschüss Kopenhagen und weiter mit dem Zug nach Westen. Auf eine Insel.
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