Die 11. re:publica fand dieses Jahr vom 8. – 10. Mai in Berlin statt. So war das.
Letztes Jahr hab ich ja behauptet, wegen unserer Schulkinder könnten meine Frau und ich nicht mehr zusammen zur re:publica fahren. Das war falsch. Dank hilfsbereiter Großeltern, die für vier Tage anreisen und einfach mal den Haushalt übernehmen geht das doch (und ja, am Ende ist dann auch die Wohnung einmal durchgeputzt und im Gefrierfach steht eine vorgekochte Familienportion Bolognese. Ich nehme das an.)
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Weil die Kinder neben Wischgesten mittlerweile auch ganz gut lesen und schreiben können, fällt die Trennung auch gar nicht mehr so schwer und die wichtigsten Fragen werden im Familien-Chat geklärt.
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Unsere Unterkunft liegt zentral in Berlin-Mitte. Im Plattenbau. Das gute am Plattenbau ist ja, dass man, wenn man mal drin ist und rausschaut, den Plattenbau gar nicht mehr sieht. Es sei denn nebenan steht nochmal genau der gleiche Plattenbau.
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Insgesamt besuche ich 18 Vorträge. Viele davon rappelvoll und ich stehe die ersten zwei Tage fast durchgehend. Zwischendurch Treffen mit vielen netten Menschen und kurz, mittel und lang mit denen quatschen. Sehr schön.
Den Plattenbau suchen wir nur zum Schlafen auf, das Abendprogramm unterhält jeden Tag vorzüglich (Mega-laugh-out-loud für Maschek!) und wir sind von 10 bis irgendwann in der Nacht immer durchgehend auf dem Gelände der STATION. Die drei Tage re:publica sind die Wirklichkeit gewordene Filterblase. Man bekommt kaum was von außen mit. Und auch manche Sachen von drinnen nicht. Die Kritik an der Kinderbetreuung und die Protestaktion gegen die Bundeswehr sind erst zwei Tage später bei mir angekommen.
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Auf dem re:learn-Track ist es jedes Jahr dasselbe. Es stellen sich tolle, digitale Bildungsprojekte vor, aber immer nur einzelne Leuchttürme. Und dann kommt man heim und die Kinder schleppen immer noch kiloweise Papier in die Schule und im Klassenzimmer steht ein neuer Rechner, der maximal zum Videogucken genutzt wird.
Ich lasse mir dann noch am Tincon-Stand den Calliope genauer erklären und das klingt alles ganz gut und schlüssig und jetzt muss ich doch mal zur nächsten Elternbeiratssitzung und schauen was geht.
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Ansonsten scheint die Ratlosigkeit der letzten zwei Jahre bezüglich Hass und Hetze im Netz gewichen und man geht über zu Analyse und Gegenwehr. Kurz zusammengefasst in dieser Folie:
Zahlreiche Hatespeech-Panels auf der #rp17. Dabei sollte dieses Bild reichen. Danke @schwarzblond! pic.twitter.com/8g84Svc4jR
— Carline Mohr (@Mohrenpost) May 10, 2017
Meine drei Vortragsempfehlungen zum Nachgucken decken das dann thematisch auch ziemlich gut ab. Wie konnte es so weit kommen, was sind die Mechanismen dahinter und was kann jeder einzelne dagegen (und für sich) machen?
Elisabeth Wehling – „Die Macht der Sprachbilder. Politisches Framing und neurokognitive Kampagnenführung“, Kübra Gümüşay – „Wir brauchen Räume zum Denken“ und Felix Schwenzel – „Die Kunst des Liebens“. (Die beiden letzten Vorträge sind noch nicht als Video abrufbar, sollten aber demnächst auf dieser youtube-Playlist auftauchen)
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Auf der Rückfahrt sitzt im ICE an unserem Tisch ein Berliner Rentnerpärchen auf dem Weg nach München. Beide werfen sich immer wieder kleine Neckigkeiten zu, die mit „Watt fummelste denn an meenem Knie rum?“ ihren vorläufigen Höhepunkt erreichen. Süß, denk ich mir. So lang zusammen und das Feuer brennt noch.
Später geht er sich die Beine vertreten und sie fängt ein bisschen an zu plaudern.
Das ist ihre erste längere Zugfahrt überhaupt. Sie ist deswegen ein bisschen aufgeregt. Und stolz. Auf ihren Begleiter. Weil er ist schon 86. Und das merkt man ihm überhaupt nicht an. Funktioniert alles noch super. Nur das Gehör ist runter auf 30%, aber da kann man ja technisch was machen. Aber hätte sie das mit dem Alter vorher gewusst, dann hätte sie sich nicht für Ihn interessiert. Vor einem Jahr. Da sind sie zusammengekommen.
Sie ist ja acht Jahre jünger und ein älterer Mann kommt eigentlich nicht in Frage. Aber bei dem merkt man das ja gar nicht. Alles bestens. Davor haben beide ihre langjährige Partner verloren und jetzt haben sie sich gedacht: so arg lange haben wir auch nicht mehr. Machen wir noch ein bisschen was zusammen. Dieses Jahr z.B. sechs Reisen. Und brandneue Smartphones kaufen. Mit denen schreiben sie sich jetzt immer so kleine Nachrichten hin und her.
Love out loud halt. Immer wieder. Und immer wieder neu.
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Gerne gelesen
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Der neue Sommertrend. Was für ein schönes Wort: Viskosehose. Muss man sich, gut betont, auf der Zunge zergehen lassen. Und dann in einem Loriot-Sketch vorstellen. Viskosehose. Gekauft in der Herrenboutique von Herrn Lindemann.
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Wenn man in Bayern (in anderen Bundesländern wahrscheinlich ähnlich) ein Mehrfamilienhaus bauen will, muss man für einen angemessenen Spielbereich im Hinterhof sorgen. So will es die Bayerische Bauordnung. In der Praxis bedeutet das, zumindest in den Höfen, die ich bisher so gesehen habe: Bank, Sand und Wipppferd (ein 3-p-Wort!). Selten wirklich genutzt und man mag sich gar nicht vorstellen, wieviele einsame Wipppferde (fast so schön wie Viskosehose) in deutschen Hinterhöfen unbespielt herumstehen. Vollkommen nutzlos, mit dem einzigen Zweck das grüne Häkchen der Baubehörde zu sichern und als Dank bleibt nur der traurige Blick auf die Biomülltonne.
Das Foto hat Ben im Mai 2017 in einem Münchner Hinterhof, Au (der Stadtteil, nicht der Ausruf) gemacht.***
Die SZ hat ein neues Magazin für Eltern und Kinder am Kiosk. Die erste Ausgabe hat mir gut gefallen (Disclosure: Ich habe früher mit ein paar Menschen aus der jetzigen SZ Familie-Redaktion zusammengearbeitet). Online gibt es für das Heft aber noch keine richtige, eigene Heimat (falls jemand mitliest: sz-familie.de ist noch frei ;-)).
Einzige Ausnahme: Der SZ Familie-Newsletter. Den würde ich gerne zum Abonnement empfehlen. Meistens schreibt da Barbara Vorsamer ein paar schlaue Gedanken zu einem Thema und verlinkt noch ein paar gute Texte.
In der letzten Ausgabe ging es um die Aufteilung von Haushalt und Kinderbetreuungsaufgaben. Das es dabei nicht nur um das 50:50-Abhaken von To-Dos geht, sondern um ein allgemeines Verantwortungsbewusstsein für eben den ganzen Alltagskram. Und das man darüber auch reden muss und nicht stillschweigend davon ausgehen kann, dass es schon passt, so wie es ist.
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Zu Anke Gröners Lauferei habe ich ja schon letztes mal verlinkt. Jetzt hat sie einen sehr persönlichen Text dazu geschrieben. Wenn Ihr also demnächst Anke auf dem Alten Nordfriedhof traben seht, schenkt ihr ein Lächeln und ein kurzes High-Five.
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Die größten Probleme Münchens? Wohnungsmarkt? Verkehr? Kinderbetreuung? Bier! (natürlich) Zumindest am 17.5.2017. Da wurde im Stadtrat knapp zwei Stunden über die #bierpreisbremse geredet. Ben (der mit dem Wipppferdfoto) hat dazu Tweets zusammengefasst (ja, ok, viele von mir, aber ich hatte halt grad Zeit). Die Aufzeichnung der Sitzung ist online und ich empfehle auf jeden Fall die Rede von Helmut Schmid (SPD) ab ca. Minute 19:00 (Tagesordnungspunkt A1-A5 Generaldebatte Oktoberfest 2017). Da denkt man eigentlich, jede Sekunde springt der Gerhard Polt aus dem Schmid raus.
Aber auch ansonsten sehr interessant zu sehen, wie mühsam und kleinklein Kommunalpolitik gemacht wird, weil, das muss man ja auch wissen: die meisten machen das ehrenamtlich und es gebührt dem Engagement auf jeden Fall grundsätzlich Respekt.
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Drei Hörempfehlungen: Im Lila-Podcast kommt mal ein Mann zu Wort, im Chaos Radio 234 geht es allumfassend um Heimvernetzung und Internet der Dinge (ich kämpfe momentan noch mit einem Powerline-Adapter und Leistungsabfällen, wenn abends alle im Haus das Licht anmachen) und Christian Möller läuft mit Heinz Strunk durch die Gegend.
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Die Sparpreise der Bahn sind eine feine Sache, aber das gezielte Suchen danach gestaltet sich über die Oberfläche auf bahn.de eher als schwierig. bahn.guru greift die Bahndaten ab und zeigt nur die Sparpreisangebote wesentlich übersichtlicher an.
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Wieder was gelernt: es gibt mit Austrian Superheroes (ASH) eine österreichische Superheldenserie. Und vielleicht bald auch, wenn ihr alle ein bisschen Geld übrig habt, ein deutsches Pendant dazu. Die Liga deutscher Helden braucht Eure Hilfe!
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In eigener Sache: Zwei meiner Blogtexte (Männer, die auf Ladebalken starren und der eigentlich ganz einfache Weg zur Champions League) habe ich im techniktagebuch untergebracht. Wobei untergebracht bedeutet, ich habe sie einfach über das öffentliche Formular eingereicht und kurz später hat wohl jemand auf veröffentlichen gedrückt. Wusste vorher gar nicht, dass das so einfach geht. Hat mir der @dentaku auf der #rp17 gesagt. Da war ich nämlich auch noch.
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Musikalisch gilt es in dieser Ausgabe eigentlich nur auf eine Sache hinzuweisen. Die ist dafür aber umso massiver. Der Super-Radio-Sender FM4 aus Österreich nimmt sein Spotify-Profil mal richtig ernst und hat u.a. alle Jahrescharts bis zurück in die 90er und die eh schon immer sehr guten Sound-Selection-Compilations als Playlists angelegt. Leiwand!
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Und vielleicht noch das neue Love A Album mit dem kleinen Hit Sonderling (von dem Ivo behauptet, es sei das deutsche We didn’t start the fire. Ist natürlich Quatsch. Das deutsche We didn’t start the fire ist, weiß ja jeder, von Thees Uhlmann oder, für die ganz Harten, von Badesalz)
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Der Witz zum Schluss kommt von @oliverkoerting und ist ein 140
ZeichenZeilen-Witz (noch trennt uns ein Witz in meiner Ablage von den Fritzle-Witzen meiner Kinder. Also hurtig her mit Euren Lieblingswitzen an postvon@heibie.de):***
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