Jedes Kind kann schlafen

Eines der wichtigsten Themen sowohl für frisch gebackene Eltern, als auch deren Umfeld ist: Schlaf. Als unser erstes Kind zur Welt kam, war eine der ersten Fragen meines Bruders nach fünf Tagen (!) ob er denn schon durchschliefe (das Baby, nicht mein Bruder).

Kleine Kinder schlafen anders und bringen damit den bisherigen Lebensrhythmus der Eltern ziemlich durcheinander. Das stresst, verunsichert und ernährt gleichzeitig seit Jahren eine große Horde Sachbuchautoren, die immer wieder neue Methoden und Programme vorstellen, wie ES denn am besten klappt. Und ES bedeutet: Alleine einschlafen, durchschlafen, im eigenen Zimmer. Das scheint der heilige Gral der Elternschaft zu sein.

Warum das vielleicht gar nicht so wichtig ist und was man stattdessen machen kann, versuche ich mal im Folgenden aufzuschreiben. Ich vereinfache und übertreibe dabei und selbstverständlich ist jedes Kind anders und durchläuft unterschiedliche Phasen zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Aber meine Frau sagt: Übertreibung macht anschaulich und Chuck Norris sagt: Vereinfachung auch.

Die Fakten:
Säuglinge schlafen eigentlich ziemlich viel. Zwischen 12 – 18 Stunden am Tag. Das Problem ist nur: nicht am Stück und nicht unbedingt in dem Rhythmus, den Erwachsene kennen. Gerne wachen sie nach 2-3 Stunden Schlaf auf und haben dann Bedürfnisse, die sie durch Schreien äußern.

Säuglinge schlafen auch nicht besonders fest. Dazu muss man wissen, dass der menschliche Schlaf in verschiedenen Phasen abläuft. Vereinfacht gesagt gibt es eine Leichtschlafphase (REM, Rapid Eye Movement, it’s the end of the world as we know it …), in der man meistens auch träumt und eine Tiefschlafphase, in der man, Überraschung, tief schläft.

In der ersten Phase ist man eher anfällig für Störgeräusche und wacht leichter auf. Bei Erwachsenen sind die Tiefschlafphasen wesentlich länger. Bei kleinen Kinder gehen sie anfangs oft nur 30 Minuten. Die Phasen wechseln sich wellenförmig ab. Intensive Träume dienen bei Säuglingen auch der Gehirnentwicklung, sorgen aber eben auch für eine höhere Aufwachanfälligkeit.

Die Dauer der Tiefschlafphasen wird bei Kindern im Lauf ihrer Entwicklung immer länger und gleicht sich der von Erwachsenen an. Bei Kleinkindern beträgt der Anteil der Traumphase am Gesamtschlaf bis zu 50 %, bei Erwachsenen nur noch 25 %.

Babys wachen also leichter und öfter auf und brauchen dann was zu Essen, Zuneigung oder einen Windelwechsel. Befriedigt man diese Bedürfnisse nicht, schreien sie.

Daraus folgt:

Um mit diesem Problem umzugehen gibt es unterschiedliche Lösungsansätze.

Einer davon firmiert u.a. unter dem Namen Ferbern und wird z.B. in dem Buch „Jedes Kind kann schlafen lernen“ erklärt und propagiert. Grob gesagt geht es darum, das Baby durch Training daran zu gewöhnen in seinem eigenen Bett alleine ein -und durchzuschlafen. Dazu gibt es ausgefuchste Zeittabellen an die man sich halten muss. Kind 5 Minuten schreien lassen, rein gehen, beruhigend auf es einreden (aber auf KEINEN Fall hochnehmen), wieder 5 Minuten rausgehen … Nach einer Woche schläft es dann durch. Dafür garantiere ich mit meinem Namen. Ihr Hardy Krüger.

Das Gegenmodell ist das Familienbett. Das geht so: Mama, Papa (wahlweise andere Patchworkpartner) und Kind schlafen in einem Bett.

Klingt nach irgendwie seltsamem Hippiequatsch?

1. Wenn es so ist, dass der Schlaf eine Fähigkeit ist, die sich im Lauf der Zeit weiter entwickelt, ist es eigentlich ziemlich unlogisch und verschwendete Energie, dies mit irgendwelchen Schlafprogrammen zu trainieren. Es kommt ja auch niemand auf die Idee einen Säugling zum Lauftraining zu schicken. Laufen lernt das Kind irgendwann im zweiten Jahr von alleine.

2. Ich selbst möchte so viel Schlaf wie möglich bekommen. Wenn ich Nachts ständig zum Schlaftraining aufstehen muss, oder meine Frau viermal pro Nacht zum Stillen in ein anderes Zimmer gehen muss, macht uns das müde.

Das Familienbett bietet:

Mehr Schlaf für alle. Das Kind wacht auf, merkt, dass die Eltern da sind und schläft beruhigt weiter. Oder: Das Kind wacht auf, hat Hunger und wird im Halbschlaf zeitnah von der Mutter gestillt. Beide schlafen weiter. Am Ende der Nacht hatten (und haben) wir fast immer genug Schlaf, um den nächsten Tag gut zu überstehen.

Ja aber …

1. „Ihr verwöhnt das Kind. Das bekommt ihr nie mehr aus eurem Bett
Eher unrealistisch. Es ist davon auszugehen, dass das Kind spätestens ab der Pubertät keine Lust mehr haben wird, mit seinen doofen Eltern in einem Bett zu schlafen.

2. „Das ist doch viel zu gefährlich. Was wenn ihr das Kind erdrückt?
Das ist bei uns in den letzten Jahren nie passiert. Hält man sich an gängige Sicherheitsmaßnahmen (keine Drogen, nicht rauchen, kein Alkohol) passiert nichts. Manche Studien sagen sogar, dass das Co-Sleeping ein guter Schutz gegen den plötzlichen Kindstod (SIDS) ist. Grundsätzlich ist es nämlich so, dass man gesundheitlich verdächtige Aktionen seines Babys viel leichter mitbekommt, wenn man direkt neben ihm schläft und nicht durch zwei Türen getrennt ist.

3. „Das wär mir viel zu eng. Ich brauche Platz zum Schlafen.
Dann mach Platz! Wir haben in einem 1,40er-IKEA-Bett begonnen und uns über ein 1,80er zu einem selbstgebauten 2,70er Bett hochgeschlafen. Es gibt immer einen Weg. Gut geeignet sind z.B. auch kleine Anbaubetten.

4. „Und wenn ihr mal für euch sein wollt?
Wir haben ja tatsächlich auf natürliche Weise ein zweites Kind bekommen. Es gibt immer einen Weg.

Und jetzt?
Eigentlich sollte man sich um den ganzen Schlafkram gar keine Gedanken machen.  Das regelt sich alles von selbst. Dass ich es hier trotzdem mache, liegt v.a. daran, das ich ganz am Anfang genau das natürlich nicht gemacht habe und beim ersten Kind auch alle Optionen nachrecherchiert habe. Nur um nach einem halben Jahr zu merken, dass es Zeitverschwendung war.

Deshalb:
Legt eure Kinder genau da hin, wo es ihnen am besten gefällt und v.a. wo ihr am meisten Schlaf bekommt (und ja, wenn euer Kind zu der seltenen Gattung gehört, die ab der ersten Minute nur alleine und im eigenen Zimmer schlafen will:  Go for it!). Lasst euch von niemandem reinquatschen. Wartet dann ein paar Jahre ab und alles wird gut. Mit der dadurch gesparten Energie und Zeit gibt es weiß Gott Wichtigeres zu tun.

Und wer glaubt, doch nicht ohne Ratgeber auszukommen, dem lege ich „In Liebe wachsen“ des spanischen Kinderarztes Carlos Gonzales ans Herz. Der weiß nicht nur übers Schlafen Bescheid, sondern entkrampft potentiellen Erziehungsdruck auch an anderen Stellen. Und dasnuf hat zu dem Thema auch noch Informationen aus erster Hand.

3 Gedanken zu „Jedes Kind kann schlafen“

  1. Der heutige Episodentitel basiert auf der Einkaufsliste meiner Tochter. Sie hat schon einen sehr ausgewählten Geschmack. Die Rechte für die Sendungstitel hab ich jedenfalls schon mal bei ARD und ZDF angemeldet.
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    Als unser Sohn vor knapp neuen Jahren zur Welt kam, hatte ich davor eine ziemlich klare Vorstellung, wie das alles laufen würde. Ich las mir das Buch Babys erstes Lebensjahr für Dummies durch. Und da stand schön aufgelistet ab welchem Monat das Baby was für eine Fähigkeit haben würde. Klang alles logisch und planbar.
    Schlafen etwa würde der Bub schnell in seinem kleinen Babybettchen (mit ein bisschen Übung). Hat er natürlich nicht. Wir haben uns ziemlich schnell ein breites Bett gebastelt und von da an schlief er (und später seine Schwester) bei uns (2012 hab ich dazu gebloggt). In Variationen ging das ungefähr bei beiden bis zum Schuleintritt.
    Die Vorteile liegen für mich immer noch auf der Hand: Wir haben v.a. in den sowieso anstrengenden ersten Jahren viel mehr Schlaf bekommen, weil wir uns um das Thema Schlaf einfach nicht kümmern mussten, die Kinder haben sich wohlgefühlt und wenn ich mir heute anschaue, dass der Neunjährige z.B. gar nicht mehr so viel Bock hat von mir geküsst zu werden, sehe ich der Pubertät etwas gelassener entgegen, weil wir in den ersten Jahr genug Körpernähe zu den Kindern getankt haben (und umgekehrt).
    Im Ratgeberbereich scheint sich in den letzten Jahren auch was getan zu haben. GU, der Verlag, der auch das Baby-Schlaftraining-Buch Jedes Kind kann schlafen lernen verantwortet, hat mit Schlaf gut, Baby mittlerweile Familienbettfreundlicheres im Angebot und Maret Buddenbohm hat eine sehr persönliche Rezension dazu geschrieben, die ich gerne auch Neueltern ans Herz legen will.
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    Das Live-Interview mit dem Korea-Experten Robert Kelly, bei dem plötzlich seine beiden Kinder reinplatzen habt ihr ja alle gesehen. Interessant fand ich die Reaktionen auf den Clip.
    Zuerst: „Voll witzig“, dann: „Naja, aber wie der seine Kinder da so wegschiebt, weiß ja nicht“ oder „also ich hätte mein Kind ja auf den Schoß genommen“, darauf: „Könnt Ihr euch überhaupt vorstellen, was so eine Live-Interview für einen Druck bedeutet“, „Und wie die Nanny da die Kinder rauszerrt!“, „Moment, wieso geht ihr davon aus, dass das die Nanny ist. Weil es eine Koreanerin ist?“. Rollenbilder, Rassismus im Hinterkopf, strukturelle Probleme bezüglich Vereinbarkeit und politische Forderungen daraus, Social-Media-Reaktionsverhalten und Überdenken der eigenen Posititionen. Alles diskutiert auf Basis dieses kurzen Clips. Und am Ende kommt dabei mein Lieblings-GIF der Woche raus.
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    Einerseits: Ich mag die ZDF-Sendung Die Anstalt. Seit Max Uthoff und Claus von Wagner die Sendung übernommen haben, geht es in jeder Ausgabe um ein Thema. Und das Thema wird dabei fast schon klassisch journalistisch durchrecherchiert, danach dann aber, und jetzt das Andererseits, in oft schwer erträglicher, klassischer Kabarett-Manier verarbeitet. John Oliver und manchmal auch Jan Böhmermann machen das inhaltlich ähnlich, in der Form aber viel moderner und lustiger.
    In der Sendung vom 7.3.2017 ging es um Verkehrspolitik und Autoindustrie. Alles empörend und WTF!?, wie immer. Dann die letzten 5 Minuten. Martin Sonneborn Thomas Gsella tritt auf und erzählt von seiner Schwester und seiner Nichte. Beide bei einem Autounfall, verursacht durch überhöhte Geschwindigkeit, ums Leben gekommen. Keine Ahnung, welche Gründe einem danach noch GEGEN ein allgemeines Tempolimit einfallen können. Außer vielleicht: Fahrspaß, Freiheit und schnelle Autos. Die Freiheit Deutschlands wird bei Tempo 200 auf der linken Spur verteidigt. Klar.
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    Opa erzählt vom Krieg ist ja oft, wenn ich weiter unten bei der Musik von den Hooters erzähle.
    Oma erzählt vom Krieg bedeutet aber tatsächlich: Oma erzählt vom Scheißkrieg. In der Podcast-Reihe [RSS | Soundcloud] erzählen fünf Frauen, wie es war. Als Kind. Während des zweiten Weltkriegs. Die AFD redet geschichtsvergessen daher, dieser Podcast sollte an jeder Schule im Unterricht verwendet werden.
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    Noch eine Podcast-Empfehlung. Leichteres Thema. Horst E. Motor und Christian Krach arbeiten sich bei Das war vor Jahren durch alte Intro und Tempo (die Zeitschrift, nicht das Taschentuch. Das wär ja eklig) – Ausgaben. Mit unfassbar fundiertem Popkulturnerdwissen. Dazu frengeln sie noch leicht. Sofort ins Herz geschlossen.
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    Bela B. tritt im Morgenmagazin auf und mal wieder soll Punk angeblich tot sein. Das ist mir zu kurz gedacht. Bela B. auch und Opa Buddenbohm erzählt von früher.
    Punk ist auf jeden Fall auch die Antilopen Gang. Von der Einstellung sowieso, mit dem neuen Album auch musikalisch. Die Bonus CD Atombombe auf Deutschland ist eine Verneigung vor 30 Jahren Deutschpunk mit entsprechenden Gaststars und funktioniert auch live hervorragend. Davon hab ich mich vor einer Woche im Technikum überzeugt. Natürlich von der Empore aus. Die Schönheit des Moshpits bewundert man in meinem Alter nur noch von der Empore.
    Dort oben ist mir auch eine Theorie zum Bandnamen eingefallen. Ich hab das mal schnell gegoogelt und ich glaube, ich bin der erste der diese Theorie aufstellt. Die Band weiß davon auch noch nichts.
    Wenn man zehnmal hintereinander Antilopen Gang sagt, kommt Anti-Opel-Gang dabei raus. Versucht es. Zusammen mit den restlichen Die Toten Hosen – Bezügen wird da ein popkultureller Schuh draus.
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    Sonst ist musikalisch diese Woche wenig passiert. Es gibt neue Songs von Bush und Incubus (Incubush, wie der witzige @surfin_bird sie auch nennt). Das müsst ihr aber selber googeln. Gefällt mir nur mittelmäßig bis gar nicht.
    Bei Kraftklub neige ich dazu Johnny Haeusler zuzustimmen (es sei denn ich entdecke noch irgendwo die ironische Brechung, befürchte aber die meinen das ernst).
    Außerdem hab ich viel Bon Jovi gehört und mir Tickets für die Hooters gekauft. Nichts mit was die jungen Leser dieses Newsletters sich beschäftigen sollten.
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    Kommen wir zum Schlusswitz. Immerhin 1 gültige (Whats-App-Sprachnachrichten zählen nicht, Ivo) Einsendung kam nach meinem letztwöchigen Aufruf. Wenn da bis zum nächsten mal nicht mehr da ist, dann verbrate ich WIRKLICH die Fritzle-Witze meiner Kinder. Das wollt Ihr nicht und deshalb schickt Ihr mir Eure Lieblingswitze an postvon@heibie.de.
    Der hier kommt von Anna:
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    Es klingelt an der Tür, die Frau öffnet, es steht ein junger Mann davor.„Guten Tag! Mein Name ist Umberto. Ich komme, um mit Ihrer Tochter zu vögeln.“
    „Wie bitte, um was?!“
    „UmBERTO!
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