Tag der Wissenschaft und des politischen Anstands

Beim Tag der offenen Tür der Bayerischen Akademie der Wissenschaften schaue ich mir das Diskussionspanel „Demokratie sind wir“ an. Im Lauf der Diskussion kommt auch der Vorwurf an die Politik auf, doch mal wieder mehr auf die Straße zu gehen, mit den Leuten zu reden. Ursula Münch von der Akademie Tutzing grätscht rein und weißt darauf hin, dass Politiker*innen auf der Straße mittlerweile ganz andere Probleme haben. Sie grätscht auch rein, als es darum geht, dass das vor allem ein ostdeutsches Problem ist und das dir als Politiker so was auch auf einem schwäbischen Marktplatz passieren kann. Und sie hat beides mal recht. Nach Ende der Diskussionsrunde trudeln die Nachrichten über den Angriff auf den SPD-Europawahlkandidaten Matthias Ecke und weitere Grünen-Wahlkämper rein und Anfang des Jahres wurde Cem Özdemir in Biberach attakiert.

zdf heute meldet: 2023 haben die physischen Angriffe v. a. auf die Grüne Partei stark zugenommen. Die Gewalt ist Teil der perfiden Doppelstrategie der AFD. Ronen Steinke beschreibt es in seinem Kommentar gut:

Teil eins dieses Plans: Fleißig, durchaus gut strukturiert und schlau arbeitet die AfD darauf hin, die ihr offenstehenden legalen Wege zu beschreiten. […]

Teil zwei des Plans ist das Verbreiten von Angst. Über die Gewalttäter, die jetzt in Brandenburg, Sachsen und Nordrhein-Westfalen die Politiker und Plakatierer von SPD und Grünen attackiert haben, ist noch wenig bekannt, der Zusammenhang zur AfD ist womöglich alles andere als ein direkter. Aber: Dass in den Reihen dieser Partei sogar Funktionäre sitzen, die neben dem legalen Geschäft auch auf Gewalt setzen, ist kein Zufall.

Dass die AFD eine Bedrohung für die Demokratie ist, ist mittlerweile klar. Man sollte ihr keine Plattform mehr bieten.

Die gesellschaftliche Grundstimmung wird aber auch maßgeblich von demokratischen Parteien geprägt. Wie man miteinander umgeht. Hart in der Sache diskutieren und streiten: auf jeden Fall! Aber:

2023 stand vor einem Wahlkampfzelt der Grünen im bayrischen Chieming ein Stand mit Tomaten, Eiern, Steinen (klein, groß, Findling). Daneben Flyer der Jungen Union. Aufgebaut von „normalen Handwerkern“, für die das alles in „die lustige Richtung“ ging. Als „grenzwertig“ verharmlost vom lokalen CSU-Bürgermeister.

Der stellvertretende bayerische Ministerpräsident arbeitet sich auch nach dem bayrischen Landtagswahlkampf immer noch am liebsten an der Grünen Partei ab. Man kann es jeden Tag auf Instagram verfolgen. Erst vor zwei Tagen komplett inhaltslos mit einem weirden Repost. Die Kommentare unter dem Beitrag eine große Jauchegrube an persönlichen Beleidigungen.

Die Steine fliegen mittlerweile in echt auf engagierte Politiker aller Parteien und v. a. Politikerinnen haben nicht erst seit 2024 beleidigende und frauenfeindliche Hasskommentare in ihren Postfächern. Wer so was in seinen Instagram-Kommentaren duldet und nicht konsequent wegmoderiert und wer angedrohte Gewalt als nur „grenzwertigen“ Lausbubenstreich abtut, trägt auch einen Teil zu einem immer aufgeheizteren gesellschaftlichen Klima bei. Echte Demokraten müssen hier verantwortungsbewusst handeln und reden. Sie müssen klare Grenzen ziehen.

Update: Es gibt eine gemeinsame Erklärung aller demokratischer Parteien. Darin heißt es u.a.

3. Aus Worten werden Taten: Wir sorgen mit einem respektvollen Umgang auch selbst dafür, dass die Stimmung nicht weiter aufgeheizt wird. Wir streiten hart in der Sache, aber verbindlich im Ton.

Jede*r Politiker*in sollte das unterschreiben und danach handeln.

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