Um 14 Uhr muss ich daheim sein. Der Servicetechniker vom Internetanbieter kommt.
Wir haben seit Mittwoch kein Internet mehr. Wir bedeutet: alle Mieter im Haus, die Internet übers TV-Kabel bekommen. Kein Internet, kein TV, kein Festnetz. Am Mittwoch war gleich ein Servicetechniker da. Er diagnostiziert, dass dem Verstärkerkasten im Keller Strom fehlt. Da kann er nichts machen. Muss ein Elektriker her. Oder wir überbrücken das mit Strom von einer anderen Steckdose. Servicetechniker geht wieder. Wir überbrücken das kurze Zeit später mit Strom von einer anderen Steckdose. Immer noch kein Internet.
Donnerstag wird viel Zeit in der Hotline vom Internetanbieter verbracht. Ein anderer Servicetechniker kündigt sich für Freitag an. Der stellt fest, dass es zwei Probleme gibt: kein Strom (wurde bereits mit unserer Überbrückungs-Kabeltrommel gelöst) und: der Verstärker ist kaputt.
Um sich den noch mal genauer anzuschauen, muss er ihn öffnen. Das geht nur mit einem extrem seltenen Spezialwerkzeug, das er – und das kann ich gut nachvollziehen, weil wie soll man als Servicetechniker ahnen, dass man den Kasten, für den man Service macht, aufschrauben muss? Das kannst du nicht wissen. Das trifft dich aus heiterem Himmel und da hast du dann den Schlamassel – nicht dabei hat: ein sogenannter Inbusschlüssel.
Zum Glück kaufe ich öfter beim schwedischen Möbelhaus ein und kann ihm mit diesem Exotenwerkzeug in unterschiedlichsten Größen aushelfen.
Auch in aufgeschraubtem Zustand: Verstärker defekt.
Stellt sich raus: im Kasten hängen zwei Verstärker. Klemmt er einfach auf den zweiten um. Meine kritische Laiennachfrage, ob jetzt durch den Ausfall des einen Verstärkers nicht die Internetleistung im Haus schlechter wird, beantwortet er kurz und präzise mit: Nein.
Ich bin investigativ und hake kritisch nach. Warum denn dann da zwei Verstärker überhaupt montiert sind, will ich wissen.
Das hat halt der eine Kabelanbieter so gemacht als er den anderen Kabelanbieter aufgekauft hat. So ganz genau weiß man das wohl nicht. Alles klar.
Unser Internet hängt jetzt also zum einen am seidenen Faden einer semi-professionell angebrachten Kabeltrommel und dem Verstärkerkasten des alten Anbieters, dem der neue Anbieter bei Übernahme aus unbekannten Gründen nicht mehr getraut hat. Falls hier Kommunikationselektroniker*innen mitlesen gerne Einschätzungen in die Kommentare.
***
Der Tag findet seinen Ausklang dann äußerst erfreulich. Team Scheisse spielen in der neuen Theaterfabrik. Die Theaterfabrik war früher mal um die Ecke, die neue liegt eine halbe Stunde mit dem Rad am Stadtrand in einem Industriegebiet. Aber es ist der letzte warme Tag des Jahres und es radelt sich wirklich hervorragend im lauen Abendwind durch Berg am Laim, Bogenhausen, Denning und Johanniskirchen. Ich hab Gefühle für mein Fahrrad.
Team Scheisse spielen guten alten Deutschpunk und weil es bei solcherlei Konzerten durchaus etwas aktiver vor der Bühne zugeht, legen Team Scheisse am Anfang erst mal kurz die Regeln fest. Kurzzusammenfassung: Keine Chance für oberkörperfreies Mackertum, Obacht geben, Raum für nicht-Dudes.
Oder wie Markus Söder sagt: Jetzt wollen sie uns auch noch den Moshpit verbieten!
Zum Glück ist Pogo aber kein wahlkampfentscheidenes bayrisches Kulturgut, Markus Söder denkt wahrscheinlich Circle-Pit ist ein Kreisverkehr am Ortseingang von Höllriegelskreuth und deshalb hat er das auch nur in meiner Fantasie gesagt.
Falls ihr jetzt trotzdem denkt: Ohoh, das klingt aber schon auch ein bisschen anstrengend.
Ist es nicht.
Im Lauf des Konzertes kündigt die Band mehrmals einen Circle-Pit nur für nicht-Dudes an. Und das funktioniert beim ersten Mal vielleicht noch nicht 100%, aber das ist ja jetzt vielleicht auch noch nicht so Standard bei Konzerten dieses Umfangs. Außerdem wurde das Konzert wegen stark gestiegener Band-Popularität im Vorfeld von einer kleinen in eine größere Halle verlegt, die Zielgruppe erweitert und nicht alle Anwesenden scheinen jetzt schon supertief text- und verhaltenssicher drin im Band-Kosmos, müssen da also auch erst mal bisschen reinkommen und üben.
Spätestens beim zweiten Pit läuft das. Das kann ich von meiner Empore aus (wie royal das klingt) gut beobachten. Im Kreis nur Frauen, offensichtlich bestens gelaunt singendhüpfend, drumrum sichern die Dudes den Kreis ab, halten vereinzelte Irrlichter draußen.
Ein paar leicht angepasste Spielregeln, an die man sich superschnell gewöhnt, tun der Party da unten keinerlei Abbruch, aber ein paar mehr als sonst haben Spaß daran. Was kann man denn daran schlecht finden, Markus?