Angeblich liebt man die Wiesn ja oder man hasst sie. Zumindest steht das jedes Jahr in mindestens einem SZ-Leitartikel. Bei mir ist es mal so, mal so und dann auch mal wieder so.
Es ist natürlicher kompletter Quatsch, dass eine der größten überregionalen Zeitungen einen Live-Ticker zu einem Volksfest macht, dass Menschen morgens ab sechs Uhr anstehen, damit sie um neun Uhr ins Bierzelt sprinten können oder dass es in irgendeinerweise Relevanz hat, mit wie vielen Schlägen der Oberbürgermeister ein Bierfass anzapft. Totaler Quatsch. Denk ich mir. Weiß ich.
Aber dann halt bin ich zum ersten Mal beim Einzug der Wiesn-Wirte und der ist wirklich nach fünf Minuten schon inhaltlich sterbenslangweilig und redundant und es könnten im Prinzip auch einfach drei Bierkutschengespanne eine Stunde immer im Kreis um den Block und zehnmal an mir vorbei fahren – ich würde es nicht merken und warum hab ich den Satz jetzt eigentlich mit einem relativierenden Aber dann halt eingeleitet?
Ach ja: die Leute. Sie haben sich zurechtgemacht, freuen sich vor. In den unterschiedlichsten Sprachen. Die Anwohner in der Schwanthaler stehen im Schlafanzug und mit Kaffee an den Fenstern, gerade erst aufgestanden. Sie freuen sich. Andere bereits in voller Tracht am Fenster, schon länger wach. Sie freuen sich. An den Fassaden Billo-Aufblasbrezn. Im Trachten-Outlet kann man sich auf dem Weg zum Fest noch en passant passend einkleiden. Totaler Quatsch.
Dann hat das letzte Brauerreipferd abgestuhlt. Einer muss jetzt – und in den kommenden 18 Tagen – die ganze Scheiße wegmachen. Ein Prosit auf die Stadtreinigung, die Wiesn-Wache und die Wiesn-Ambulanz.
Wir gehen mit bis zur Theresienwiese. Der Haupteingang aber natürlich komplett dicht. Weiter zum oberen Eingang am Bavariapark. Auch alles dicht.
Die Freien Wähler komplett am Boden. Zuerst gedacht: Ach schau, zieht er seinen Bruder noch mit in den Wahlkampf rein. Dann festgestellt: Chris Roberts hatte Unrecht. Du kannst jetzt doch wieder 17 sein. Das ist ja e Ding! (Gag bei Oropax geklaut)
Viel schöner als Wahlkampf: Sascha Odermann. Der „Erfahrener Herzmaler“ zaubert pünktlich zum Anstich Wiesn-Chemtrails an den Himmel. „Es war eine Herzensangelegenheit. Ich wollte den Wiesnbesuchern eine Freude machen.“ Ich glaube ihm.
Weil es viel zu heiß und alles dicht ist ein kurzer Abstecher in den Bavariapark Biergarten. Dort passt das Krafttier der Münchner Polizei auf die Einsatzwagen auf. Sie hat sich bei den Beamten eingeschleimt.
Männer Obacht! Das ist auch der einzige Ort rund um die Wiesn, wo ihr genau ein Lebewesen ungefragt mit „Hey Schnecke!“ ansprechen dürft. Ansonsten gelten die internationalen Verhaltensregeln für kein Arschlochmann sein:
Kopfbedeckungen natürlich auch gesichtet. Totaler Quatsch.
Dann müssen wir weiter. Basketball im Audi Dome. Oder im BMW-Park. Die Schilder sind sich nicht ganz einig. Audi? BMW? Hauptsache Abschalteinrichtung. Rudi Sedlmayer Halle geht aber immer.
Rückweg vom Auto-Dome-Park mit der U4 ab Heimeranplatz. Wir fahren insgesamt sehr viel U4 an diesem Samstag. Hin und her und hin und her. Die Wiesn macht die ganze Stadt zu einem Theater und die U4 ist schon eine der Hauptbühnen. Zwischen Ostbahnhof und Schwanthalerhöhe. Man kann da alles in seiner vollen Pracht beobachten. Totaler Quatsch.
Spätestens nächste Woche geh ich hin.