Wir fahren übers Wochenende weg zu einer Feier. Nach der Ankunft in der Pension erst mal Glotze an und Zappen.
MTV sendet anscheinend immer noch. Jetzt grad eine alte Sendung MTV Home. Jan Böhmermann ist zu Gast bei Joko und Klaas. Die Sendung muss so ungefähr aus dem Jahr 2010 sein. Böhmermann benutzt in dem siebenminütigen Ausschnitt mehrmals das N-Wort, schwul als Schimpfwort und macht sich lustig über eine dicke Frau.
Am Abend spreche ich bei einer Feier anlässlich eines 60. Geburtstags mit der Mutter des Jubilars. Sie hat in den 1960ern Physik studiert, nach ihrem Abschluss aber nicht gearbeitet, sondern die damals übliche Hausfrauenkarriere gemacht. Als die Kinder größer waren, hat sie sich wieder beworben. An Unis. Weil sie arbeiten wollte. In Vorstellungsgesprächen wurde sie von den ihr gegenübersitzenden Männern gefragt, was ihr Mann verdiene und wenn der so viel verdiene, dann müsse sie ja gar nicht arbeiten, weil der könne sie doch gut versorgen.
Heute, 2023, kann ich mir nicht vorstellen, dass einer von den drei Männern aus der MTV Home Sendung noch solche Sprache nutzen, solche Witze machen würde. Heute, 2023, zucken meine Kinder zusammen, wenn sie das N-Wort im TV hören. Sie wissen, dass und warum das gar nicht geht.
Heute, 2023, kann ich mir nicht vorstellen, dass in einem Vorstellungsgespräch einer Frau noch diese Frage gestellt wird. Ich glaube hoffe, es gibt kaum noch jemanden, der diese Frage überhaupt denkt.
Bei allem Verzweifeln über zu langsamen Fortschritt, immer noch vorhandenen Rassismus, Frauenfeindlichkeit und Ungleichbehandlung – die zwei Beispiele zeigen auch, wie viel wir persönlich, gesellschaftlich und politisch in den letzten Jahrzehnten geändert bekommen haben. Sie zeigen, dass Veränderung immer möglich ist, wenn man will. Persönlich, gesellschaftlich und politisch.
Und sie sind wichtig als Mahnung, weil es immer mehr gibt, die das Rad der Zeit dorthin wieder zurückdrehen wollen. Dorthin, wo das N-Wort gesellschaftlich akzeptiert ist und Frauen am Herd stehen. Dorthin niemals zurück!
Leider gibt es das „Sie müssen doch gar nicht arbeiten, Ihr Mann verdient doch gut“-Thema auch im Jahr 2023 noch. Es gibt Menschen, die glauben, dass einige Frauen nur zum Zeitvertreib arbeiten. Zum Glück werden das aber tatsächlich immer weniger.
Die Zukunft der Mobilität findet in Sasbachwalden statt.