Berlin 1

Das Hotel behauptet, es läge in Mitte, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass das schon Kreuzberg ist.

Ich morgenlaufe also durch Kreuzberg und auf dem Rückweg, so gegen halb 8, fällt mir auf, dass hier irgendwas anders ist als bei meinen Morgenläufen letzte Woche: Aus jeder zweiten Haustür kommen Kinder raus. Teils alleine, teils mit einem Elternteil. Pfingstferien, das kennen die Heiden hier nicht. Und mir fällt wieder auf, wie sehr Schule das Leben strukturiert. Urlaub, Aufstehen, Abendessen. Schule ist der Taktgeber. Für die ganze Familie.

Und nur wenn Ferien sind, kommt der Takt manchmal ein bisschen durcheinander. In der ersten Pfingsferienwoche habe ich z.B. normal gearbeitet und an keinem einzigen Tag eine Brotzeit mitgenommen. Jeden Tag irgendwo was gekauft. Bäcker, Bringdienst, Restaurant. Klingt jetzt nicht superspektakulär, aber es hat einen Grund, warum mich meine Kolleginnen so nennen, wie sie mich nennen: Stullen-Heibie. Mittags bin ich normalerweise der Mann an der Tupperdose. Schön belegte Brote, die Reste vom Abend davor oder einfach alles, was halt irgendwie noch weg muss, bevor es Beine bekommt. Das ist mein Ding.

Komischerweise gerät diese Routine irgendwie aus der Spur, wenn Ferien sind. Sobald die Kinder nicht da sind oder bis 12 Uhr schlafen und sich keine Pausenbrote mehr schmieren, mach ich es auch nicht mehr. Das ergibt rational gar keinen Sinn, aber vielleicht ist das dieses unsichtbare Band zwischen Eltern und Kind. Bonding ist keine Einbahnstraße.

Daran denke ich, als ich dieses wunderschöne Gewässer umrunde.

Dann folgen sehr viele, sehr interessante Talks. Sie werden unterbrochen von der Erkenntnis, dass der Typ mit der maximalen Stirnsonnenangriffsfläche, der sein Kind letzte Woche noch jeden Tag dreimal ermahnt hat, sich bittebittebitte einzucremen, seine Sonnencreme im Hotel vergessen hat und keinen Schattenplatz auf dem Sonnendeck findet. Der Typ bin übrigens ich. Bravo!

Am Abend ist Kopf und Notizbuch voll.

Aber noch nicht ganz voll. Auf der Fahrt ins Hotel bleibt noch Platz für diesen Gedanken: Früher hat man Touristen an der Bauchtasche und Ärzte an den Crocs erkannt. Heute ist man mit beidem einfach nur ein ganz normaler Teenager. Gefällt mir.

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