Überholvorgang mit Telefonbuch

Mein erster Aufkleber auf meinem ersten Auto – ein roter Fiat Uno – war das Logo der US-amerikanischen Punk-Band Bad Religion. Ein durchgestrichenes Kirchenkreuz. Das muss so 1993 gewesen sein.

Ende 2022, knapp 30 Jahre später, bin ich dann endlich aus der katholischen Kirche ausgetreten. Wenn mich das eine Sache gelehrt hat, dann die: Ich werde nie wieder so lange warten, bis ich die Aufforderung eines Autoaufklebers in die Tat umsetze! Raus aus der Komfortzone, Heiko!

Als die Ampel in der Kohlstraße heute grün wird, leite ich deshalb direkt und ruhig den Überholvorgang ein. Nicht wieder 30 Jahre warten. Die Zukunft ist jetzt! Ich gleite auf dem Radweg am Opel vorbei, der Opel bleibt nach fünf Metern auf der Isartangente im Berufsverkehrstau stecken. Ich bleibe ungejagt.

Es geht weiter zum Paketshop. Das neue Telefonbuch liegt aus, ich greife zu. Aus zwei Gründen.

  1. Es ist kostenlos. Der Sparschwabe sitzt tief.
  2. Im Bezug auf Telefonbücher gibt es zwei Reaktionen. Die einen sagen: „So was gibts noch!?“ und die anderen: „Huiuiui, alter Schwede … der oder die Dingens könnte mir sogar aus dem Telefonbuch vorlesen … diese Stimme … oh la la … „.

Den ersten Satz hat meine Tochter heute zu mir gesagt. Mit dem zweiten Wunsch hat mich bisher noch niemand auffordernd konfrontiert. Falls sich das noch mal ändern sollte, bin ich jetzt aber vorbereitet. Und zwar von A-Z.

Am Abend schau ich noch mal aus dem Fenster. Unten fährt der Opel vorbei, immer noch auf der Suche nach mir. Er sieht mich nicht.

Nagut, der letzte Absatz war gelogen. Wär aber ein guter letzter Absatz gewesen. Ein immer noch ganz okayer letzter Satz – und ihr könnt ihn gerne von der Intonation her in Stadionsprecher-Tonlage lesen:
Heiko: EINS! Opel: NULL!

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