Nein, bei „Critical Mass“ geht es nicht um die Bierpreisbremse. Stadtverkehr ist heute das Thema.
Der Oberbürgermeister von München, Dieter Reiter, hat letzte Woche das Wort „Dieselfahrverbot“ in den Mund genommen. Die Stickstoffdioxidbelastung ist zu hoch (Stickstoffdioxid, Stickstoffmonoxid, Feinstaub, CO2? Die SZ erklärt Deutschlands beliebteste Schadstoffe). Die CSU springt da natürlich gleich drauf an, kurzzeitig ist „Diesel-Krieg„, dann will man sich aber doch demnächst treffen und reden. Es gibt ja auch ein Gerichtsurteil, was zum handeln zwingt.
Ganz ohne richterlichen Druck und als Anwohner einer der schwarz gefärbten Straßen würde ich für München behaupten: Zu viele Autos fahren durch die Stadt und parken dort.
Und statt reflexartig wieder den armen, deutschen Autofahrer zu beweinen, könnte man ja auch mal das Narrativ ändern und titeln „Die ganze Stadt atmet. Verbot würde 100% der Münchner bessere Luft bringen“
Man hätte auch schreiben können: "Verbot würde 100 Prozent der Münchner bessere Luft bringen" #kfzbiased #autoperspektive pic.twitter.com/w9IwHuRRxr
— Dirk von Gehlen 🤷🏻♂️ (@dvg) June 21, 2017
Wie ein autofreies München aussehen könnte, hat sich die SZ ausgedacht. Erreichen wird man das nur, wenn man Autos Platz wegnimmt oder verteuert (und parallel die Fahrradinfrastruktur und den ÖPNV massiv ausbaut). Im städtischen Raum sind noch nicht mal unbedingt die fahrenden Autos das größte Problem, sondern die parkenden. Parkplätze nehmen viel Platz weg für ein Auto, welches meistens sehr ineffektiv nur 10% der Zeit genutzt wird. Die viel zu günstigen Parkgebühren und Anwohnerparkscheine decken nur einen Bruchteil der Kosten dafür ab. Den Rest zahlen alle. Auch die, die nicht fahren oder parken. Darüber und über alternative Verkehrsmodelle im urbanen Raum geht es auch in der einstündigen „NDR Redezeit – mobil ohne Auto“ (MP3-Direktlink).
Neue Straßen und Parkhäuser schaffen keine Verkehrsentlastung, sondern oft genau das Gegenteil. Und ob das E-Auto wirklich besser ist, ist auch umstritten. Vielleicht für die Umwelt, aber ein eins zu eins Austausch von Benzinfahrzeugen mit elektrischen Autos wird die Straßen auch nicht leerer und mehr Platz für effektiveren Stadtverkehr machen.
Es gibt sicher gute Gründe in ganz vielen Fällen weiter auf das Auto zu setzen. Ich komme selbst vom Land (und sogar da gibt es mittlerweile alternative Ansätze), ein eigenes Auto war für mich bis vor ein paar Jahren, auch in einer Stadt mit sehr gut ausgebauter Alternativinfrastruktur, das Selbstverständlichste auf der Welt. So war halt die Sozialisation, so ist man aufgewachsen. Der eigene Fiat Uno war mit 18 auf dem Dorf natürlich auch eine Befreiung. In späteren Jahren in der Stadt wurde er (nagut, es war dann ein Skoda Octavia Kombi) dann aber langsam, schleichend genau das Gegenteil. Belastend und einschränkend. Jetzt habe ich seit fast vier Jahren kein eigenes Auto und kann es mir gar nicht mehr anders vorstellen. Genauso wie vielleicht die nachwachsende Generation.
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Das zweite, städtische Dauerproblem: Die Mietpreise. Wie genau so eine Aufwertung eines Stadtviertels funktioniert (Gentrification) erklärt Andrej Holm sehr ausführlich in der 40. Ausgabe des Podcasts Alternativlos. Spoiler: Es sind nicht die Hipster und Künstler in Ihren schicken Kaffeebars. Die sind nur Korrelation, aber nicht der Auslöser.
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Ich hab mir ein paar Filme angeschaut.
Wonder Woman. Comicverfilmungen haben mich in letzter Zeit immer mehr gelangweilt (X-Men: Megairgendwas nach zehn Minuten ausgeschaltet). Wonder Woman dagegen hat Spaß gemacht. Könnt ihr reingehen.
Dann: Tanzfilme. Tanzfilme!? ? Ja, so hab ich auch geschaut.
In Hip-Hop-eration (Hüftoperation! verstehste!?) will eine Rentnergruppe an den Hip-Hop-Tanz-Weltmeisterschaften teilnehmen. Das ist natürlich so rührend, wie es klingt und manchmal wird der Bogen auch ein bisschen überspannt, aber alles in allem ein warmherziger Film mit ziemlich gutem Humor. Die Dokumentation lief in Deutschland nicht so richtig im Kino und ist auch auf DVD schwer bis gar nicht zu erwerben. Müsst ihr halt mal kucken, wo Ihr den herbekommt (ich hab ihn beim Tanz den Gasteig Kino gesehen)
Dancer erzählt die Geschichte des russischen Ballettänzers Sergei Polunin. Vor zwei Jahren ist Polunin mit einem Tanzvideo viral gegangen (wenn Ihr Euch den Höhepunkt des Films nicht nehmen und v.a. nicht den restlichen Tag mit dem Take me to church-Ohrwurm rumlaufen wollt, dann klickt hier besser nicht! Amen! A-y-y-men!). Packende Dokumentation jedenfalls, die sehr gut rüberbringt wie entbehrungsreich Polunins Weg nach oben war. Die meisten Tanzszenen sind mit moderner Unterhaltungsmusik unterlegt. Alleine die Eröffnungssequenz mit Iron Man von Black Sabbath ist schon der Knaller.
Und dann müsst Ihr Euch noch den neuen Teil aus Olli Dittrichs Medienzyklus anschauen: „Der Meisterreporter – Sigmar Seelenbrecht wird 81„. Herzlichen Glückwunsch, Sigmar!
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Weiter zur Musik. Viele neue Sachen, alle super. Die Spotify-Playlist zum Newsletter gibt es wie immer hier.
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[Video] Foo Fighters – Run
Das knallt doch wieder richtig schön. Noch besser gefällt mir aber das Video dazu. Das hat wieder den Witz und Charme, den Everlong oder Big me hatten.
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[Video] Queens of the Stone Age – The Way you used to do
Da kann man sich auch drauf verlassen, dass ein neuer QOTSA Song nie so richtig schlecht ist.
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[Video] Rancid – Trouble Maker (full album)
Rancid spielen ihre neue Platte einfach mal kurz in der heimischen Garage am Stück durch.
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[Video] Yungblud – King Charles
Astreiner Sommerhit! Soweit ich das schnell googeln konnte, macht Herr Yungblud das alles größtenteils alleine. Ohne Band.
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[Video] Arcade Fire – Everything now
Mit dem neumodischen Sound (damit meinen alte Menschen wie ich den elektronischen Schnickschnack ab der Neon Bible – Platte) von Arcade Fire bin ich nie 100% warm geworden. Das neue Stück hier ist aber ein wunderschöner Popsong, dem man 1-2 Chancen geben sollte.
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[Video] Adam Angst – Wir werden alle sterben
Adam Angst haben mit den Donuts zwei Songs aufgenommen. Split-EP nennt man das.
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[Video] The National – The System only dreams in total Darkness
Großartige Band. Schönes neues Lied.
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[Video] Iron and Wine – Call it dreaming
Sam Beam wäre eigentlich ein guter Name für einen Songwriter. Sam Beam selbst nennt sich aber lieber Iron & Wine. Geht auch ok.
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[Video] Fleet Foxes – If you need to, keep time on me
Die Fleet Foxes machen nach eigenen Angaben barocken Folkrock. Eine ganze Platte kann ich mir davon nicht anhören. Ein so ein schönes Liedchen wie das hier aber schon.
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[Video] The War on Drugs – Holding on
Das letzte Album Lost in the Dream war sowas wie eine Autofahrplatte. Fenster runter und mit Richtgeschwindigkeit 110 auf die A8. Mit dem neuen Song geht das auch gut (hat mir ein Freund erzählt, ich hab ja blöderweise kein Auto mehr)
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[Video] Andy Cairns- Stop it, you’re killing me (live)
Andy Cairns, der Sänger von Therapy?, hat eine neue Soloplatte veröffentlicht. Die ist aber digital schwer zu bekommen. Deshalb ein alter Song seiner Band, solo und akustisch interpretiert.
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[Video] Erlend Øye – La Prima Estate
Der Song ist schon ein paar Jahre alt und wurde aus irgendwelchen Gründen nie zum Sommerhit. Findet auch Tino Hanekamp, dessen Piq mich wieder daran erinnert hat.
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Bevor wir zum Witz am Schluss kommen, heute von Henri (9), denkt immer dran: Seid nett zueinander und sprecht Croissant das nächste mal beim Bäcker bitte richtig aus.
Ein Betrunkener fährt Fahrrad, hält ein Polizist ihn an und sagt:.“Moment mal, sie haben keine Klingel, keine Bremse und kein Licht.“ Da lacht der Betrunkene und sagt „Dort hinten kommt einer der hat gar kein Fahrrad.
Au ja, Fahrradstädte!
Als ich noch in Berlin-Mitte gewohnt habe, alo in der Mitte einer millegroßen Metropole, da gab es um mich herum eigentlich nur Fürsprecher für solche Ideen. Und niemand, der Auto fuhr.
Jetzt wohne ich in der Vorstadt dieser mittelgroßen Metropole und staune jeden Tag wieder, was für eine fremde Welt das ist, 10 km entfernt. Auch was das Thema Auto angeht. Ohne ein Auto (besser zwei!) geht hier gar nichts. Im Ortszentrum am Bahnhof wird von allen Seiten ein Parkhaus gefordert. Im Ortszentrum. Ein Parkhaus. Schön. Damit man leichter mit dem Auto zum Bahnhof fahren kann.
Der Ort ist klein. Egal wo man wohnt, mehr als 2 km zum Bahnhof können es eigentlich nicht sein. Ein vorsichtiges „Aber man könnte ja auch mit dem Fahrrad…“ wird mit einem entrüsteten „Und wenn es regnet?“ abgetan. Es regnet ja recht selten in Berlin (außer halt gerade), die Parkplätze sind aber immer voll. Immer.
Das wird noch dauern, mit der Fahrradstadt.