Pexels @PixabayIch bewundere ja diese Menschen, die sich Dinge aufschreiben, die Listen führen und alles erfassen. Wenn man irgendwann alt ist, dann ist das bestimmt wunderbar. Ich merke immer wieder wie viel ich vergesse und wenn ich dann Fotos sehe oder Texte lese, dann frage ich mich, wie ich das alles vergessen konnte und bedauere sehr, so nachlässig in der Dokumentation zu sein.
Ich finde ja, wenigstens Netflix und Co. könnten am Ende des Jahres eine schöne Statistik zusammenstellen. „Sie haben 273 Stunden Serien geschaut. Folgende Serien waren das: …“ Aber nein! Alles muss man sich selbst merken.
Aber zurück zum eigentlichen. 2016 war ein Jahr mit vielen Auf und Abs. Für mich ist das ganz neu: Gefühle. Den janzen Tag! Für meine Kinder hatte ich schon immer große Gefühle, doof finden konnte ich auch immer ziemlich viel, aber Nuancen das ist neu!
Wobei, ich bin immer noch ein ein bisschen aus dem Takt geratener Roboter. Früher war alles schön 0 oder 1. SUPERTOLL! oder eben TOTAL DOOF! HUNGER! oder PAPPSATT! AUF JEDEN FALL! oder NIEMALS! AN oder AUS.
Jetzt gibt es gelegentlich Abstufungen. Wobei mir das immer noch sehr schwer fällt.
Was gab es aber an großen Veränderungen?
Die großen Kinder
Eine irrsinnige Veränderung ist die Selbständigkeit der Kinder. Ich kann es manchmal gar nicht glauben, was alles plötzlich ohne mich geht und ich muss mich zusammenreißen nicht wimmernd hinter den Kindern herzuschleichen – weil früher! früher hab ich das doch alles (mit)gemacht.
Jetzt kann ich auch mal länger arbeiten, die Kinder bringen sich selbst nach Hause und manchmal komme ich in die Wohnung und muss in den Kalender schauen, wo die Kinder eigentlich sind.
Sie haben eigene Interessen und Freunde und bewegen sich frei im Kiez. Manchmal finde ich einen Zettel. „Mama, ich bin bei Paula. Zum Abendessen bin ich zurück.“
Sie machen ihre Hausaufgaben, geben Infozettel aus der Schule ab und verpacken die Geschenke für die Kindergeburtstage, bei denen sie eingeladen sind, selbst.
Oft helfen sie freiwillig im Haushalt, oft nur unter Protest, aber ich arbeite daran, das auszuhalten. Wäsche sortieren, Wäsche auf- und abhängen, manchmal zusammenlegen, wegräumen, Tisch decken, abdecken, Spülmaschine ein- und ausräumen, beim Kochen helfen, Tee und Kaffee machen, staubsaugen, darf ich bitte bitte bügeln?
Ich bestehe darauf, dass wir ein Team sind. All diese Aufgaben machen nur mäßig Spaß, jeder muss altersgemäß mitanpacken.
Das Durch- und „Ausschlafen“
Ich hab es nicht für möglich gehalten, aber es ist tatsächlich so, dass die Kinder irgendwann einfach von abends bis morgens schlafen und der Erwachsenenschlaf sich erholt.
Alles ist so wie früher. Abends die Augen schließen, morgens wieder öffnen. Sieben Stunden am Stück geschlafen. Verrückt.
Im Februar haben wir Winterurlaub gemacht. Da hat der bis dahin größtenteils kinderfrei lebende Freund zu den Kindern gesagt: „Ihr lasst uns bitte bis halb zehn schlafen, ja?“
Trocken gelacht habe ich da (Unwissender!) und mit den Augen gerollt (als wenn die Kinder auf sowas hören!).
Was soll ich sagen: Seitdem schlafen* wir Erwachsenen am Wochenende und im Urlaub bis 9.30 Uhr.
Irre.
Winterurlaub
Da haben wir auch angefangen Gesellschaftsspiele zu spielen. Sowas wie Robo Rally [Werbelink] oder Rage [Werbelink].
GROSSARTIG! Spiele spielen, bei denen man nicht immer gegen Kinder verliert (Memory) oder sich zu Tode langweilt (Socken zocken und ähnliche Spiele).
Das ist so großartig, dass wir regelmäßig einen Spielenachmittag machen (Nur Monopoly bleibt verboten)
(Wer Spieletipps hat, immer her damit!)
Apropos Urlaub
Ich habe geschafft 2016 meinen Geiz zu reduzieren. Es muss jetzt nicht immer das billigste vom billigen sein. Zur Entspannung gehen wir manchmal Pizza essen oder fahren ein Wochenende irgendwo hin. Wenn die Ferienwohnung 10 Euro am Tag mehr kostet, weil sie eine Spülmaschine hat… ich kann es aushalten.
Das tut uns allen gut. Dafür werde ich wahrscheinlich niemals meine Küche renovieren oder mir ein neues Sofa kaufen oder einen Fernseher – aber ich denke, damit lässt sich ganz gut leben.
Mein Buch
Ja, mein Buch. Es bereitet mir immer noch Freude. Ich bekomme oft wunderbare Emails, die darüber berichten wie Elternpaare sich Kapitel gegenseitig vorlesen und sich dabei schlapp lachen und darüber manchmal vergessen, dass so ein Leben mit Kindern doch auch anstrengend sein kann.
Da geht mir wirklich das Herz auf.
Toll waren auch die Lesungen in Hannover und in Stuttgart und die anschließenden Gespräche und Signierstunden, in denen ich mir vorkomme wie ein Weltstar, weil ich meinen Namen in mein Buch schreiben darf.
Kinderfrei
Ich hatte viel kinderfrei. Zum einen natürlich aufgrund der Trennung und der damit verbundenen Zeiten, die die Kinder beim Vater verbringen, zum anderen aber auch weil die Kinder auf Klassenfahrten sind oder bei Freundinnen und Freunden übernachten. Ja, sie sind sogar so alt, dass man sie mit diesem Bahnbegleitservice quer durch Deutschland zu Verwandten reisen lassen kann.
Ich denke oft, wenn ich mit dem Kinderhaben nochmal neu anfinge, dann würde ich auch mit dem Kinderfreihaben früher anfangen. Das hilft bei so vielem.
Tatsächlich weiß ich nicht, ob ich das wirklich könnte. V.a. im Baby- und Kleinkindalter fiel es mir sehr, sehr schwer von meinen Kindern getrennt zu sein.
Selbst für einen Abend im Kino oder ein Essen mit einer Freundin. Richtig frei und wohl hab ich mich nie gefühlt.
Ich weiß nicht, wie die Faktoren sind, damit man sich gut fühlt als Mutter ohne seine Kinder zu sein. Vermutlich ist es einfacher, je größer sie sind und je mehr man der Person vertraut, bei der die Kinder sind.
Vielleicht ist es die ersten Jahre auch anders, wenn man Familie in der Nähe hat und die Kinder dort abgibt. Ich weiß es nicht genau.
Ich hab tatsächlich fast zwei Jahre gebraucht, um mich daran zu gewöhnen. Ja, vielleicht muss man es wirklich trainieren. Denn jetzt ist es fantastisch und ich fühle mich, während ich diese Zeilen schreibe nur noch ein bisschen wie eine Rabenmutter. Weil darf man überhaupt sagen, dass man auch Zeiten ohne Kinder schön findet?
Am Anfang habe ich die Zeit genutzt und bin wie irre ins Kino, in Lesungen, ins Theater und in Ausstellungen gegangen.
Nachdem diese Bedürfnisse gestillt waren, nutze ich die Zeit v.a. zum abhängen, basteln (!) und Podcasts hören. Manchmal nehme ich mir auch irrsinnige Koch- oder Backprojekte vor oder ich schaue Serien bis mir der Kopf brummt.
Zu meinem großen Erstaunen habe ich auch die Langweile für mich wiederentdeckt.
Der Tod
Es gibt wirklich dieses Alter in dem sich Todesfälle plötzlich häufen. Das ist sehr grausam – zumal der Tod in unserer Gesellschaft keinen festen Platz hat. Wenn er dann kommt, dann wirft er einen total aus der Bahn.
Den Tod meiner Freundin 2014 habe ich immer noch nicht verwunden. Sie ist jeden Tag bei mir. Im Milchschäumer, in der Farbe Gelb, in einem Zucchiniröllchen, in der Karl-Marx-Allee.
In meinem Mailfach ist die Vergangenheit konserviert. Immer wieder stoße ich auf Zeilen, die Menschen verfasst haben, die es nicht mehr gibt. Das tut sehr weh, denn sie fehlen.
Auch dieses Jahr ist eine Freundin völlig unerwartet gestorben. Die Beerdigung war einer der traurigsten und gleichzeitig erwärmendsten Tage meines Lebens. Mir ist klar geworden, dass die Liebe, die ein Mensch gegeben hat, in denen bleibt, die noch hier sind und dass sie weiter strahlt. Das ist so wahr wie es vielleicht kitschig klingt.
Ich hoffe, dass der Tod mich achtsamer und behutsamer macht und mich lehrt zu schätzen, was ich habe und das ist sehr, sehr viel.
Tatsächlich hilft mir die Erfahrung des Verlusts mir klarer zu werden, wer oder was mir gut tut und lässt mich erkennen, wie ich anderen gut tun kann und es fällt mir leichter mich von dem zu entledigen, das nur Energie absaugt.
Ich bin dankbar für meine fabelhaften Kinder, für meinen Partner (<3) und für meine Freundinnen und Freunde, von denen es nicht viele gibt, aber die wenigen, die bedeuten mir sehr, sehr viel.
2016 insgesamt
Alles in allem gefällt mir mein Leben im Moment gut.
40+ zu sein habe ich mir eingeengter und ernsthafter vorgestellt.
Ich frage mich, ob andere auch so leben in meinem Alter? Ob sie ihre Kleidung auch kaum bügeln, Fertigpizza aufbacken, wenn sie zu müde zum Kochen sind und sich mit großer Freude statt der Tagesschau Studio Ghibli Filme anschauen.
Wahrscheinlich ist das aber auch egal. Denn es soll ja jede so machen, wie es sie glücklich macht.

*Ich schlafe nie bis 9.30 Uhr. Das geht überhaupt nicht. Mein ganzes Leben ging das nicht. Aber ich schlafe bis 8 Uhr und dann lese ich und trinke Kaffee im Bett. Das ist super!