re:publica 2012: Die Vorträge – Tag 1

Vom 2. – 5. Mai fand dieses Jahr zum sechsten mal die re:publica in Berlin statt. Zusammen mit @karummms und @onyildi durfte ich dieses Jahr in offiziell dienstlicher Mission teilnehmen. Und, das schon mal vorweg: wir sind Mittwoch Morgen nicht umsonst um kurz nach 4 Uhr aufgestanden.

Auf insgesamt acht Bühnen fanden im Lauf der drei Tage gefühlte 1000 Veranstaltungen statt. Die Sessions waren dabei in so viele Themen-Tracks aufgeteilt, das selbst Mitveranstalter Markus Beckedahl bei der Eröffnungsrede nicht mehr alle einfielen.

V.a. zu meiner eigenen Erinnerung wollte ich hier zu jedem Vortrag kurz ein bisschen was schreiben und merke gerade nach einer Stunde tippen, dass ich mal eben so den ersten Tag schaffe. Deshalb teil ich die Zusammenfassungen einfach in drei Postings auf. Schlau, ich weiß.

From Slacktivism to real Comittment, 2.5., 11:30, Stage 4
In einer halben Stunde skizzierte der WWF (Die mit dem Panda, nicht dem Undertaker) eine Kampagne, mit der er in Brasilien ein umstrittenes Gesetz zur Nutzung des Regenwaldes verhindern wollte. Das vorweggenommene Fazit: „Wir haben alles richtig gemacht, und trotzdem verloren“ war natürlich Quatsch und wurde von den Referenten am Ende des Vortrags auch selbst widerlegt. Man habe neben allen Newsletter/Facebook/Echtwelt-Kampagnen nämlich versäumt an den richtigen Stellen vor Ort Druck zu machen, sprich lokale Eigenheiten zu wenig beachtet und z.B. nicht gezielt brasilianische Bürger in ihrer Funktion als Verbraucher angesprochen. Als kurzer Einblick in die professionelle Kampagnenarbeit einer NGO ganz interessant.

Getting broke, broken and forked for the planet, 2.5., 12:15, Stage 1
Britta Riley hatte vor ein paar Jahren in ihrem kleinen New Yorker Appartement die Idee ihren fehlenden Balkon mit einem selbstgebauten hydroponischen System auszugleichen und ihr eigenes Gemüse anzubauen. Hydroponie ist die Technik mit der auch die bösen Menschen, die wir u.a. aus We feed the World kennen, z.B. im spanischen Almeria unter zusätzlicher Ausbeutung afrikanischer Wanderarbeiter, Tomaten großflächig auf reinem Nährboden ohne jegliche natürliche Erde anpflanzen.

Britta Riley würde natürlich niemals Menschen ausbeuten. Dazu ist sie viel zu nett. Grob gesagt besteht ihr System aus ein paar alten PET-Flaschen, die mit Schläuchen verbunden werden und von einer Aquariumpumpe mit Nährstoffen versorgt werden. Ihren ersten Prototyp stellte sie ins Netz, dreht ein nettes Video dazu und hatte schon bald eine weltweite Gemeinde um sich geschart, die das Prinzip gemeinsam in die unterschiedlichsten Richtungen weiterentwickelten. 2011 holte sich Britta Riley über kickstarter.com dann Geld und bietet seither auch ein Modell für bastelfaule Menschen mit zwei linken Händen an.

Spannend daran fand ich zum einen die Idee der Fensterfarmen selbst. Ist sie doch neben Guerilla Gardening, Vertical Gardening und dem klassischen Schreber-Gardening ein weiterer Baustein im Themenbereich lebenswertere Stadt (auf mein Thesenpapier zur autofreien Innenstadt könnt ihr euch jetzt schon freuen).

Zum anderen war äußerst interessant, wie Britta die Entwicklung ihrer Community beschrieb. Die Idee verbreitete sich zunächst nur durch Mund-zu-Mund-Propaganda. Als wichtigsten Motor der Community nannte sie den schnöden, einfachen Fail. Erst als ihre User Bilder ihrer ersten eigenen, anfangs missglückten, Fensterfarmen online stellten, entstand Kommunikation zwischen den Nutzern, die sich gegenseitig halfen. Fail, Share, Build!
Ihre weiteren Tipps für eine funktionierende Online-Community waren nicht so wahnsinnig überraschend, können aber schon mal (von mir mehr schlecht als recht übersetzt) aufgeschrieben werden, damit man immer mal wieder dran denkt: Selbst ausprobieren, Selbst testen, Vorschläge machen, biete Support, Anforderungen akzeptieren, immer nur eine Änderung, Wege zum Teilen bieten, Anpassungen ermöglichen, Antworten geben.

About me – Die digitale Fassade, 2.5., 14:00, Stage 3
Kixka Nebraska hat einen dieser Beruf, bei denen meine Mutter (und deine Mutter) wahrscheinlich nur mit dem Kopf schütteln. Sie nennt sich Profilagentin. Und ich muss zugeben, dass ich zunächst auch eher skeptisch, in Erwartung einer guten Ladung heißer Luft, in den Vortrag  gegangen bin. Das legte sich dann aber schnell. Denn zum einen war Kixka dermaßen auf sehr sympathische Art nervös, dass man ihre gerne zugerufen hätte: Atmen! Und zum anderen erzählte sie ganz schlaue Sachen zu Netzidentität vs. Reallife-Identität.

Kernthese: Zwei komplett unterschiedliche Identitäten zu pflegen ist eine Riesenmenge Stress. Stress mag niemand gern. Deshalb sind die Menschen im Netz in der Mehrzahl genau so, wie sie auch im echten Leben sind. O.K. da hätte man auch selbst drauf kommen können, aber Kixka unterlegt dass dann schön mit ein paar Studien und Grafiken, dass man damit zumindest durch die nächste Stammtischdiskussion um Netzanonymität kommt.

Selfpublishing, 2.5., 14:45, Stage 2
Moderiert von Johnny Haeusler redeten einige Vertreter aus dem Buchbereich über die Möglichkeiten, die neue Selfpublishing-Plattformen wie Kindle Direct Publishing von amazon oder der iBookstore von Apple unabhängigen E-Book-Autoren bieten, die ohne Verlag im Rücken veröffentlichen wollen. Die Journalistin Ulrike Langer hat unter hoher Selbstausbeutung mit weiteren Kollegen das journalistische Fachbuch Universalcode auf die Beine gestellt. Nicole Sowade promotet ihren Roman Miss Januar wo es nur geht in Eigenregie. Reich werden beide damit nicht. Und zusätzlich kümmern müssen sie sich auch noch um Covergestaltung, PR und Lektorat. Fazit: Ohne Herzblut geht in diesem Bereich momentan wenig.

Sehr empfehlen möchte ich zu diesem Thema auch noch den medienradio – Podcast in dem Philip Banse (der später hier auch noch gelobt werden soll) Jonas Winner interviewt. Einen Selbstverleger, der es tatsächlich geschafft hat sich mit seiner mehrteiligen Thrillerreihe Berlin Gothic in den Amazon-Charts festzusetzen und damit einigermaßen Geld verdient.

Innovationslabore des Journalismus – Der Funke springt übe, 2.5., 16:00, Stage 4
Schnell huschte Ulrike Langer von Bühne 2 zu Bühne 4 um mit drei Kollegen eine Umfrage vorzustellen, die sie unter deutschen Verlegern zum Thema Internet und Journalismus geführt hatte, kurz ihr neues Portal vocer.de vorzustellen und, zumindest laut Sessionbeschreibung, danach aufzuzeigen, wo es hingehen könnte. Wir wissen jetzt, dass die deutschen Verleger das Internet nicht mehr als Feind ansehen, dass die USA mal wieder voraus sind und das man ja mal was mit Datenjournalismus, Nischen, Community, Crowdfunding und lokalem Newsroom machen könnte. Irgendwie. Vom Publikum mehrfach darauf angesprochen, dass diese Themen ja schon seit 3-4 Jahren diskutiert werden und da wenig Neues dabei sei wusste man dann auch nicht recht weiter und dann war die Zeit auch schon um.

Ich bin mal gespannt, was die Verleger mit ihrem  jetzt lieb gewonnenen Internet neben Leistungsschutzrecht, Content-Allianz und Streitereien um die Tageschau-App sonst noch für innovative Geschäftsmodelle entwickeln.

Rockstars und Mimosen – Wie die deutsche Blogosphäre veramerikanisiert wird, 2.5., 18:45, Stage 2
Sascha Pallenberg, der Typ, der in Hongkong wohnt und die ganzen coolen Netbooks auf seinem Blog testet erzählte, warum die deutsche Blogosphäre nichts auf die Reihe bekommt und die Amis mit ihren eingedeutschen Techcrunches und Huffington Posts bald den Markt (welchen Markt eigentlich) überrennen werden. Aufgrund von akuter Auspowerung und langweilender Belanglosigkeit verließ ich den Saal nach 10 Minuten. dasnuf hat sich aber zu einem Teilbereich viele gute Gedanken gemacht.

Überraschungsvortrag, 2.5., 19:45, Stage 1
Wenn Sascha Lobo zu einem Überraschungsthema spricht, kommt am Ende doch immer wieder das Internet raus. Und das macht er so gut wie keiner. Seine einstündige Ansprache war mit Abstand das Unterhaltsamste (Die Poetry Spam – Lesung am zweiten Tag hab ich leider versäumt), was die re:publica dieses Jahr zu bieten hatte. Furios schlägt er einmal rundum und sagt bei allem Klamauk immer wieder sehr schlaue Sachen, die mir jetzt alle gar nicht mehr einfallen und die ihr euch am Besten selbst anschaut. Wichtigste Erkenntnis des Abends: Bloggt wieder!

 

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