in Mobilität

Auto-Freiheit

Christian Lindner äußert sich auf Twitter zur Klimaschutzdebatte. Er hält nichts von Verboten, will nicht auf Mobilität verzichten und demnächst mit einem (eigenen) Wasserstoffauto in Berlin unterwegs sein. Alles im Namen der „Freiheit“.

Freiheit und Unabhängigkeit, damit macht die Autoindustrie seit Jahrzehnten Werbung, das ist die Erzählung hinter dem Auto.

https://youtu.be/8E6h9qPnTEU

Anders als CO2-Werte kann man Freiheit nur bedingt in Zahlen messen. Da ist immer viel individuelles Gefühl. Auto und Freiheit also. Hier mein Gefühl (und ein paar Zahlen).

Mit 18 auf dem Land war mein erstes Auto ein roter Fiat Uno und das war definitiv ganz viel Freiheit. In einem 700-Einwohner-Dorf, wo drei mal am Tag ein Bus hält, bedeutet ein roter Fiat Uno: Unabhängigkeit von den Eltern, Disco, Großstadt (ja, ok. Heilbronn) und McDrive.

Später dann, in Stuttgart und anschließend in München stand natürlich auch immer ein eigenes Auto vor der Tür.

Wobei: direkt vor der Tür meistens nicht. Und da fängt’s auch schon an mit unseren (mittlerweile war meine Frau dazugekommen, später noch zwei Kinder) Autos und der Freiheit.

Wir hatten die Freiheit jedes mal nach einer Ausfahrt erst mal noch 20 Minuten durch die Münchner Stadteile Giesing oder Haidhausen zu fahren um einen der raren Parkplätze zu finden. Vor der Tür war der dann meistens nicht.

Unsere Freiheit bestand darin, mit dem Auto mindestens zwei mal im Jahr in die Werkstatt zu fahren („nur ne Kleinigkeit, Herr/Frau Bielinski“) und drei Tage später auf den Anruf des Meisters zu warten („Jaaaa, da haben wir jetzt noch was am Vergaser gefunden und der Keilriemen, ach, ach… Macht dann zusammen 1234 €.“)

Es war grenzenlose Freiheit, als wir ein (geerbtes) Auto abholten und schon auf der Rückfahrt nach München der Motor komplett im Arsch war. Mitten auf der Autobahn. Und als wir einen Gebrauchtwagen bei einem Händler kurz vor Stuttgart kauften, eine Woche später feststellten, dass das Display nur noch flackert und offensichtlich ein Mangel vorliegt, der Händler dies aber, überraschenderweise, komplett anders sah.

Und wieviel Freiheit im Spiel war bei den zwei abgefahrenen Rückspiegeln an unserem parkenden Auto. Also v.a. die Freiheit für die beiden Rückspiegelabfahrer sich nicht zu melden. Gemeldet hat sich immerhin der LKW-Fahrer, der unser in Freiheit parkendes Auto (das Geerbte, wir haben den kaputten Motor selbstverständlich austauschen lassen) seitlich ein bisschen aufgeschlitzt hat.

Weiterhin zählten zu unseren Freiheiten: Reifen wechseln, TÜV-Termine ausmachen, im Stau stehen, KFZ-Versicherungen vergleichen, neue Autos recherchieren und KFZ-Steuer zahlen.

Wir haben uns insgesamt so dermaßen frei gefühlt, dass wir 2013 unser Auto verkauft haben und auf stationäres Car-Sharing (nicht verwechseln mit den free-Floatern von ShareNow etc.), Bus, Bahn, Fahrrad und was der moderne, urbane Mobilitätsmarkt sonst noch so hergibt, umgestiegen sind.

Seitdem müssen wir keine Parkplätze mehr suchen (jedes Car-Sharing-Auto hat seinen Stellplatz im nahen Wohnumfeld), uns nicht mehr mit Werkstätten rumärgern (die Wartung übernimmt der Car-Sharing-Anbieter), wir können immer das passende Auto zum jeweiligen Nutzungsfall mieten (Transporter für den Umzug, Mini für den Ausflug und Kombi für den Urlaub) und es anschließend einfach abstellen und nicht mehr dran denken. Wir haben keinerlei emotionale Bindung mehr zu den Autos, die wir nutzen.

Und da das Auto jetzt nur noch eine von mehreren Mobilitätsoptionen ist, haben wir bei jeder anstehenden Fahrt die WahlFREIHEIT und nutzen zunehmend die Bahn. Die ist nämlich im Durchschnitt gar nicht so unkomfortabel und unpünktlich, wie ihr immer unterstellt wird. V.a. wenn man im ICE sitzt und im Radio die 20-Kilometer-Staumeldungen von der A8 München – Stuttgart hört.

Gefühlte Freiheit – schon mal Haken dran. ✅

Dazu kommt: Wir sparen Geld seit wir kein eigenes Auto mehr besitzen. Wie die Rechnung genau geht, kann man hier nachlesen. Die kurze Fassung: ein Auto zu besitzen kostet viel mehr, als nur die Benzinkosten. Die Balken unten zeigen, was wieviel kostet.

Mehr finanzielle Freiheit – auch ein Häkchen ✅

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Kommentar

  1. Lieber Heiko, ich finde es wahnsinnig konsequent, dass ihr als Familie auf ein eigenes Auto verzichtet! Meine 4-köpfige Familie hat es ebenfalls versucht. Ich gebe zu: Wir haben nur ca. 6 Monate durchgehalten. Umso größer mein Respekt vor eurer persönlichen Entscheidung! Meine Erfahrungen zum autofreien Leben habe ich in meinem Blog verarbeitet – und für 2081 meine Phantasie spielen lassen, wie sich die Autonutzung in Zukunft anfühlen könnte. Vielleicht schaut ihr mal rein: http://illusionistin.de/2022/02/22/1-vom-auto-und-wie-wir-es-nutzen/

Webmentions

  • #1 – Vom Auto und wie wir es nutzen – Die Illusionistin 26. März 2022

    […] sieben Jahren mit Frau und zwei Kindern ohne Auto zurecht (Respekt!). In seinem Mobilitäts-Blog (https://bielinski.de/2019/09/auto-freiheit/) schreibt […]