Thomas Fischbach, der Präsident des Kinderärtzeverbandes hat in einem Interview davor gewarnt Kinder vor dem elften Lebensjahr ein eigenes Smartphone zu geben. „Je länger man die Smartphone-Nutzung der Kinder rausschiebt, umso besser ist es für sie.“ Unsere Kinder haben seit ihrem vierten, bzw. fünften Lebensjahr ein eigenes Smartphone. Mittlerweile sind sie zehn und zwölf Jahre alt und ich will mal aufschreiben, wie das bisher alles gelaufen ist.
Was bisher geschah
Am Anfang hatten sie alte 4er iPhones ohne SIM Karte, d.h. Internet gab es nur im WLAN, einige Messenger-Dienste waren auch noch nicht möglich. Beide iPhones standen den Kindern eigentlich immer zur Verfügung und sie waren und sind dafür auch verantwortlich. Meistens liegen sie im Kinderzimmer rum. Zwischen den anderen Spielsachen.
Seit damals haben wir ein paar wenige Regeln (wir haben mal versucht die in einen Mediennutzungsvertrag zu packen, das war uns aber irgendwann zu aufwändig und wir haben es bleiben lassen):
- Kein Smartphone bei Tisch (wird am meisten von mir gebrochen)
- Erst alle Pflichtaufgaben erledigen (Hausaufgaben, Hausarbeit)
- Nach dem Abendessen eher keine Smartphonennutzung mehr
- Neue Apps und Spiele können sie nur nach Rücksprache mit uns runtergeladen werden (Apple Familienfreigabe)
Zusätzlich zu den Regeln haben die Kinder uns anfangs meistens gefragt, wenn sie ein Video schauen oder ein Spiel spielen wollten. So eine richtige Vorgabe von uns war und ist das aber eigentlich nicht. Das lässt in letzter Zeit auch ziemlich nach.
Ich habe am Anfang gleich für beide eine Mailadresse und einen Skype-Account angelegt (Damit sie mit Ihren Großeltern, Tanten und Cousinen Kontakt halten können). Das hat sie aber die ersten vier Jahre überhaupt nicht interessiert.
Mit Abstand am allermeisten genutzt wird seit Inbetriebnahme der Smartphones: Spotify (seit wir entsprechende WLAN-Boxen haben auch in Verbindung mit der Sonos-App). Ich vermute mal, beide haben in den letzten sechs Jahren eine hohe dreistellige Anzahl an Hörspielfolgen weggebingt.
Außerdem können sie auf den Geräten frei surfen, Netflix und Youtube gucken, Mails schreiben, FaceTime/ iMessages nutzen, Bücher der onleihe lesen (machen sie tatsächlich manchmal, trotz der grottigen Usability) und noch ein paar mehr Sachen, die mir jetzt gerade nicht einfallen.
Seit der Sohn in der weiterführenden Schule ist, hat er eine SIM-Karte bekommen und nutzt jetzt auch WhatsApp. Klassenchats nerven ihn eher noch, zur Kommunikation bei MineCraft-Sessions mit seinen Freunden ist es aber unverzichtbar. Seine Lieblingsspiele sind gerade, neben MineCraft auf dem Rechner, BrawlStars und Clash Royal. Das spielen alle seine Freunde auch.
Die Tochter hat gerade Homescapes entdeckt und macht ansonsten gerne Bilder von mir, die sie dann anmalt. PixelArt hat es ihr auch angetan. Und wenn Ferien sind, ruft sie mich gerne über FaceTime auf der Arbeit an.
Beide spielen gerne MineCraft. Online, auf einem eigenen Server und bei Hypixel. Zusammen und mit Freunden
Klappt das alles immer konfliktfrei?
Natürlich nicht. Aber was klappt schon konfliktfrei in Erziehung und Familie? Insgesamt finde ich aber schon, dass unsere wenigen Regeln ganz gut eingehalten werden. Und weil wir keine fest vorgegebene Mediennutzungszeit haben, gibt es auch keinen Streit darum.
Die Kinder scheinen sich auch beide ziemlich normal und durchschnittlich zu entwickeln. Sie machen bisschen Sport, haben Freunde, lesen Bücher, spielen Brettspiele, schauen Filme, bauen Lego, streiten sich, vertragen sich und Schule passt auch.
Gerade die bevorzugten free-to-play-Spiele wie BrawlStars mit ihren spielhallenähnlichen Glücksspiel-Mechanismen find ich persönlich zwar auch nicht so toll. Gleichzeitig muss ich aber anerkennen, dass das im Freundeskreis eine wichtige soziale Funktion hat. Wer welches Clash-Royal Deck hat ist Gesprächsthema auf dem Schulhof, wie bei uns früher die Panini-Sammelbildchen.
Wir erklären den Kindern was das für Spiele sind, warum sie nur scheinbar kostenlos sind, wie die Mechanismen dahinter funktionieren und bieten gleichzeitig auch immer Alternativen an (zuletzt hatte ich mit dem Sohn ein paar nette Runden mit Red Reign im Rahmen der AppleArcade-Spieleflat. Ein Spiel, ähnlich wie Clash-Royal, aber ohne Glücksspieleinlagen. Und zu Weihnachten könnte es eventuell noch eine weitaus größere alternative Spielmöglichkeit für beide geben. Aus Geheimhaltungsgründen kann ich dazu aber noch nicht mehr sagen)
Ich habe auch das Gefühl, dass die Kinder sich reflektierter mit ihrem Smartphone-Konsum beschäftigen. Nach einer vielleicht etwas zu langen Zock-Session fällt ihnen alleine auf, dass sie das jetzt ein bisschen zu sehr angestrengt hat und auf dem Laptop vom Sohn klebt gerade ein Post-It mit „Weniger zocken!“. Selbstregulierung muss man auch erst mal lernen.
Aber die Kinderärzte und Manfred Spitzer!
Ich persönlich finde so eine pauschalen Empfehlung, ohne jegliche Differenzierung, wie die von Thomas Fischbach oder dem noch radikaleren Manfred Spitzer nicht besonders hilfreich.
Das Smartphone ist ein Gerät, was, je nach Zählung, bis zu 50 bisher separat erhältliche Geräte und Funktionen in sich vereint. Es ist Fotoapparat, Spielzeug, CD-Spieler, universelles Kommunikationsgerät, Buch, Wecker, Kalender, Notizblock, Aufnahmegerät und noch so viel mehr in einem.
Im Einzelnen würde wahrscheinlich niemand auf die Idee kommen, diese Geräte Kindern erst ab dem 11. oder gar 18. Lebensjahr zu erlauben.
Ich kann gut verstehen, warum Eltern und auch Schulen (an der Schule meines Sohns war die erste Ansage der Schulleitung: „Smartphones bitte erst ab der 8. Klasse“) gerne so konkrete Richtwerte wollen: Es macht alles einfacher.
30 Minuten jeden Tag zocken, Smartphone erst ab 11. Man muss sich dann nicht mehr damit beschäftigen und hat im stressigen Familienalltag ein Thema weniger. Dass die Kinder dann meistens trotzdem Umgehungsstrategien für die Restriktionen finden, spricht für den Erfindungsreichtum der Jugendlichen und die zahlreichen Youtube-Tutorials zu dem Thema.
Natürlich gibt es Risiken, wie z.B. Abzock-Apps (hier ein schöner Rant im NEO MAGAZIN ROYAL über die Coinmaster-App), Cyber-Mobbing, im schlimmsten Fall vielleicht sogar Suchtgefahr. Aber ich finde es einfacher sowas den Kindern schon früh und direkt am Gerät zu vermitteln und so gut es geht mit ihnen auf Augenhöhe im Gespräch zu bleiben. Weil irgendwann werden sie ja sowieso damit konfrontiert.
Amen, Bruder. Amen!
Ich hingegen finde so eine pauschale Empfehlung von einem oberkinderarzt total ok und nachvollziehbar. Sie wird vermutlich auf mehr beruhen, als auf der vereinzelten, halbwegs positiven Einordnung des Autors. Ihn mit Spitzer mal eben zu assoziieren, ist entlarvend impulsiv.
find die 2 Sätze vom Kinderarzt im Interview ziemlich undifferenziert. Ansonsten beschreibe ich meine persönliche Erfahrung. Jedes Kind, jede Familie ist anders und soll es machen, wie er/sie/es will.