Die Frage, ob wir unser Auto in einer gut erschlossenen Stadt wie München wirklich noch brauchen stell ich mir schon seit einigen Jahren. Bisher blieb es aber bei oberflächlicher Abwägung und die Bequemlichkeit siegte dann. Das eigene Auto war irgendwie immer da.
Jetzt hab ich mal nachgerechnet.
[UPDATE] Der Rechner ist veraltet. Die neue Version gibt es hier.
Der älteste und verbreitetste Anbieter für Car-Sharing in München ist Stattauto München. Der Anbieter führt in seinen FAQs unter 3. eine kleine Modellrechnung auf, ab wann sich das eigene Auto nicht mehr lohnt. Zusätzlich gibt es noch einen Preisrechner, bei dem man aber nur die Kosten für eine einzelne Fahrt berechnen kann. Beides war mir zu oberflächlich und nicht individuell genug auf meinen Bedarf zugeschnitten.
Deshalb hab ich ein kleines Spreadsheet erstellt, dass ich mit den wichtigsten Daten füttern kann und welches mir dann besser vergleichbare Ergebnisse ausspuckt. Die Tabelle sollte so flexibel gehalten sein, dass sie jeder für seine Zwecke modifizieren und auch mit Werten anderer Anbieter befüllen kann. Dazu einfach auf den Link klicken und „Datei“->“Kopie erstellen“ auswählen. In dem kopierten Spreadsheet dann die gewünschten Änderungen vornehmen. Alle gelben Tabellenfelder sind dazu da eigene Werte einzugeben. Der Rest wird automatisch berechnet.
Die Tabelle im Detail:
Zeile 1-9: Tarife
Zuerst geben wir die relevanten Tarife der beiden konkurrierende Modelle ein. Stattauto München hat Stunden-, Tages- und Wochentarife. Zusätzlich dann noch einen Kilometertarif, der inklusive Spritkosten ist. Die Tarife unterscheide sich nach Fahrzeugklassen. In meinem Fall kommen da entweder Kleinwagen (B) oder Mittelklasse (C) in Frage. Unberücksichtig bleiben hier noch die Rabatte auf den Kilometertarif, die man bekommt, wenn man an einem Tag eine bestimmte Anzahl Kilometer überschreitet. Die können noch mal 25-100% ausmachen. Ebenfalls weggelassen hab ich die einmalige Aufnahmegebühr. Die genauen Tarife findet man in diesem PDF.
Für das eigene Auto reicht es den aktuellen Benzinpreis und den durchschnittlichen Verbrauch auf 100 km anzugeben
Zeile 13-19: Gesamtkosten Car-Sharing
Ich hab versucht unser Autofahrverhalten auf durchschnittliche Anwendungsfälle herunterzubrechen. Herausgekommen sind dabei die Wochenendfahrt von Freitag Nachmittag bis Sonntag Abend, einmal im Jahr ein zweiwöchiger Urlaub, eintägige Wochenendausflüge und sonstige kleinere Fahrten zum Einkaufen oder Möbelhaus. Zu jedem Nutzungsfall kann man die Dauer in Wochen, Tagen und Stunden angeben, die Strecke in Kilometern und wie oft im Jahr man so eine Fahrt unternimmt. In den letzten drei Spalten werden dann die Kosten und die Gesamtkilometerzahl berechnet.
Zeile 23-30: Gesamtkosten eigenes Auto
Hier stehen die Kosten für das eigene Auto. Versicherung und Steuer sollten klar sein. Benzinkosten errechnen sich aus dem angegebenen Benzinpreis, der Gesamtkilometerzahl und dem durchschnittlichen Verbrauch. Die Werkstattkosten beruhen auf meinen Erfahrungen der letzten zehn Jahre und beziehen z.B. auch ein, dass man mindestens alle zwei Jahre neue Reifen braucht, TÜV und das halt grundsätzlich immer was ist. Wertverlust ist eine Zahl, den ich aus der Stattauto-Berechnung habe. Kauft man z.B. einen Gebrauchtwagen für 10.000 Euro ist der nach zwei Jahren nur noch 7.000 Euro wert. Zu dem Wert und dessen Relevanz später noch mehr. Rausgelassen habe ich den Zinsverlust, den Stattauto München noch mit einberechnet. Damit ist wohl das Geld gemeint, was man verzinst bekommen hätte, wenn man über die gesamte Lebensdauer eines Neuwagens den Kaufpreis angelegt hätte. Der Wert ist mir zu theoretisch und da ich sowieso schon ein Auto besitze und das ein Gebrauchtwagen ist, lass ich den weg.
Betrachte ich für meinen Fall, was unterm Strich gefettet rauskommt, sind wir, würden wir durchgehend einen Mittelklassewagen leihen, noch knapp über den Eigenautokosten, würden wir ab und an einen Kleinwagen untermischen wahrscheinlich schon günstiger.
Die weichen Faktoren
Contra Car-Sharing
- Die nächstgelegen Stattauto-Station ist von uns aus momentan so weit entfernt, wie der schlechtgelegenste Parkplatz, den wir zur Rush-Hour finden können. Oft finden wir halt aber auch einen Parkplatz, der wesentlich näher liegt.
- Wir müssen jedes mal zwei Kindersitze ein- und wieder ausbauen. Die Kindersitze müsse dann zu Hause irgendwo gelagert werden.
- Fahrten müssen länger im Voraus geplant werden
Pro Car-Sharing
- Kein Ärger mit Versicherung, TÜV, Werkstatt, Papierkram etc.
- Fahrten müssen länger im Voraus geplant werden. Dadurch vermutliche Änderung des Fahrverhaltens, weil man sich genau überlegt, ob die Fahrt nötig ist und Senkung der Kosten.
Warum also noch kein Umstieg?
Wir fahren momentan einen Gebrauchtwagen, dessen Zustand uns relativ egal ist, so lange er fahrtüchtig ist. Ein Wiederverkauf ist nicht geplant, weshalb der recht hohe Kostenfaktor Wertverlust (1500 €) kaum Relevanz hat. Sollte das Auto aber mal so runtergerockt sein, dass eine Reparatur den Restwert übersteigt, könnte Car-Sharing eine Alternative sein.
Ich freue mich über Anregungen, Erfahrungen oder Korrekturen in den Kommentaren, falls ich irgendwo einen Denkfehler eingebaut habe. Das Spreadsheet darf gerne kopiert und modifiziert werden.
Schöne Modellrechnung!
Am Ende entscheiden wohl tatsächlich die weichen Faktoren. Da würde ich noch dazuzählen:
– Kein täglicher Blick auf die Benzinpreise (StattAuto-Tarife bleiben lange stabil, werden vielleicht 1x im Jahr angeglichen)
– Kein Stress mit altersschwachen Fahrzeugen (die Autos sind i.d.R. maximal 3 Jahre alt)
– Potentieller Zugriff auf weitere Wagenklassen (Transporter, Kastenwagen)
Das Thema „Änderung des Fahrverhaltens“ ist tatsächlich nicht zu unterschätzen (und von StattAuto auch explizit gewollt). Da kommt dann auch die Bahn mit ins Spiel, weil man beim Planen einer Fahrt die Öffis als Alternative mit reinnimmt und evtl. das Verkehrsmittel oder das Ausflugsziel wechselt. Die Rechnung ändert sich schlagartig, wenn man z.B. einen Teil der Wochenendfahrten mit Bahn statt mit Auto macht
Meinst du die Bahn wäre billiger für eine Wochenendefahrt? Ich hab mal nachgeschaut. Bei uns wäre eine Bahnfahrt mit den Kindern zum Normalpreis mit ca. 270 Euro immer noch teurer, als StattAuto. Mit einem Sparangebot käme man ungefähr zum Car-Sharing. Aber dann müsste ich mich noch 20 km vom Bahnhof abholen lassen. Mit Bahncard würde es sich evtl. lohnen. Müsste man mal genau durchrechnen, ab wieviel Bahnfarten man billiger wegkäme.
In meinem Buch „Einfach autofrei leben“ berichte ich aus der Erfahrung unserer jetzt schon sechs sieben autobesitzlosen Familienjahre. Warum es sich lohnt kein Auto mehr…