in Tagebuch

Krematorium

Auf dem Ostfriedhof gibt es ein neues Krematorium. Ich hab es mir mal angeschaut.

Heute veranstaltet die Landeshauptstadt München den jährlichen Tag der offenen Tür. Das Programm ist ziemlich umfangreich und man kann einen guten Einblick bekommen, wie es hinter den Kulissen der Stadt und der Verwaltung aussieht. Ich hab mich für eine Führung durch das neue Krematorium auf dem Ostfriedhof angemeldet und dabei einiges gelernt.

Zuerst mal zwei Filmklischees beerdigt. Wie im Roadmovie mit der Asche durchs Land fahren: illegal. Die Asche von Omi auf den Kamin stellen: illegal. Nach der Kremierung (ja, so heißt das) wird die Urne in München von einem spezialisierten Lieferdienst im deutschsprachigen Raum ausgeliefert. In Deutschland darf nur an offizielle Begräbnisstätten geliefert werden. Theoretisch könnte man in die Schweiz bestellen und dort die Urne persönlich entgegennehmen. Sobald man aber die Grenze nach Deutschland überquert: illegal.

In München gibt es nur dieses eine Krematorium. Hauptsächlich werden hier Münchner und das Umland eingeäschert. Man kann vor dem Tod aber auch verfügen, wo man kremiert werden möchte. Stuttgarter können sich also auch auf dem Ostfriedhof einäschern lassen. Preislich ist die Einäscherung in München laut unserem Führer relativ moderat. Preisvergleich deutschlandweit könnte sich also lohnen.

Denn ein Krematorium kann im Prinzip jede*r betreiben. Eine spezielle Ausbildung braucht man nicht, man muss aber natürlich bestimmte Auflagen erfüllen und wird wahrscheinlich auch mal überprüft. So ein bisschen wie in der Gastro, wenn die Lebensmittelkontrolle vorbeischaut.

Über ein privat betriebenes Krematorium in Schwäbisch Hall hab ich neulich diese unterhaltsame SWR Doku gesehen.

Die Familie ist schwäbisch geschäftstüchtig und betreibt am einen Ende von Schwäbisch Hall eine Einäscherungseinrichtung (inkl. Tierkremierung), am anderen ein Hotel und entwickelt außerdem gerade noch eine neue Bestattungsmethode, bei der sich der Körper fast komplett auflöst. Die Lavation, in der Doku mit einem halben Hühnchen in der Geschirrspülmaschine demonstriert. Also wer das jetzt nicht schauen will …

Zurück zum Ostfriedhof. Hier können am Tag knapp 33 Särge eingeäschert werden. Wir stehen während der Führung auch im Kühlraum mit ca. 90 vollen Särgen. In drei Tagen im Zweischichtbetrieb (6 bis 21 Uhr) wird das abgearbeitet. In dem neuen Krematorium ist die begleitete Einfahrt möglich. D.h. Angehörige können durch eine Glasscheibe zuschauen, wie der Sarg durch eine Tür in den Ofen fährt.

Der Mensch ist ziemlich schadstoffbelastet (Quecksilber, Dioxin, klebrige Reste von Pop-Tarts). Diese Schadstoffe werden rausgefiltert und in blauen Fässern extra gesammelt. Wenn die Fässer voll sind, werden sie wie Giftmüll entsorgt. Beim Verbrennungsvorgang fallen noch weitere Stoffe ab: Metall. Künstliche Hüften, Herzschrittmacher, Implantate. Wird alles in Fässern gesammelt und verkauft. Das Geld wird dann für friedhofsnahe Dinge oder Hospize reinvestiert. Kreislaufwirtschaft. Ausnahme: Gold. Das wird in München (andere Kommunen machen das anders) zwar auch rausgefiltert, dann aber zur Asche beigegeben, wird also mitbeerdigt.

Vor der Einäscherung besteht noch die Möglichkeit, den Sarg samt Leiche im Verabschiedungsraum zu, wie der Name vermuten lässt, verabschieden. Also wie man es auch von Erdbestattungen kennt.

Der Leichnam darf mit beliebiger Kleidung verbrannt werden. Zusätzliche Sargbeigaben sind aber nur eingeschränkt möglich. Explosive Dinge, wie z. B. der Lieblingsschnaps des Verstorbenen müssen draußen bleiben.

In ein paar Monaten wird es eine gesetzliche Änderung geben. Dann wird die sogenannte zweite Leichenschau direkt vor der Verbrennung gesetzlich vorgeschrieben sein. Das bedeutet, man kann sich zwar noch in den schicken Anzug einkleiden und im Verabschiedungsraum damit aufbahren lassen, danach wird man dann aber zwei Türen weiter in eine Art Obduktionsraum geschoben und noch mal komplett untersucht. Der Anzug wird dabei aufgeschnitten und danach nur noch kaputt in den Sarg mit reingelegt. Muss man sich dann überlegen, wie man das haben will.

Das Krematorium ist technisch auf dem neusten Stand. Es verbraucht 2/3 weniger Gas als das alte. Die Energie, die beim Verbrennen entsteht, wird größtenteils wiederverwendet für die Kühlung und die Gebäudeheizung. Der Verbrennungsvorgang dauert 2-3 Stunden. Das hängt vom jeweiligen Leichnam ab. Bodybuilder sind laut unserem Experten die härtesten Nüsse. Das zieht sich bei denen.

Momentan ist nicht so viel los im Krematorium. Die meisten Leute sterben von November bis Januar. Während der Corona-Hochphase hatte das Krematorium teilweise bis zu 60 Einäscherungen am Tag.

Das neue Krematorium ist schön geworden. Hell, schlicht, modern, einladend. Kann mir gut vorstellen, da selbst einzufahren. Die Führung war superinteressant. Ich hoffe, ich hab alle Fakten einigermaßen korrekt wiedergegeben. Ihr könnt das aber auch selbst nachprüfen. Das Gesundheitsreferat bietet die Führungen wohl auch immer regelmäßig an Freitagen an. Auf der Webseite konnte ich dazu grad nichts finden, aber falls es wieder welche gibt müsste man die Anmeldeseite hier finden.

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  1. Dieses Mal stelle ich den Jahresrückblick um. Ich nehme mir einen Fragebogen, den andere Blogger*innen schon länger nutzen (und passe ihn ein bisschen auf meine…

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    […] Heiko hat das Krematorium auf dem Ostfriedhof besucht. […]