Vor knapp einem Jahr habe ich schon mal was über das Reclaim-Social-Media-Projekt geschrieben. Zeitgleich dazu hat Felix das Projekt mit ein paar Mitstreitern komplett neu aufgesetzt. Es wird jetzt offen bei github weiter entwickelt und ist mittlerweile ein „echtes“ WordPress-Plugin. Ich hab das dann das ganze Jahr über wieder ein bisschen vergessen und mir vor ein paar Wochen mal die aktuelle Version installiert und muss sagen: große Begeisterung!
Um was ging es gleich noch mal?
Um deine Daten, die du bei verschiedenen sozialen Netzwerken erzeugst. Auf die hat man nämlich oft gar nicht mehr so leicht Zugriff. Facebook versteckt die eigenen Aktivitäten recht gut und erschwert die Suche nach den eigenen Einträgen, Twitter hat erst seit kurzem ein umfangreiche, erweiterte Suche, die auch historische Tweets umfasst und bei Instagram bleibt einem eigentlich nur das Scrollen durch alle Einträge.
Mit dem Reclaim-Plugin kann man all diese Daten aus dem jeweiligen Netzwerk befreien und in das eigene Blog kopieren. Blog, weil das Plugin eine eigene Installation des Blogsystems WordPress nutzt und dort die exportierten Aktivitäten als Beiträge ablegt.
Was brauche ich dazu?
Um das Plugin zu nutzen, braucht man eigenen Webspace auf dem man ein selbstgehostetes WordPress installieren kann. Theoretisch könnte man dafür auch eine bestehende Installation nehmen, das empfiehlt sich aber eher nicht. Man installiert also eine zweite, neue WordPress-Instanz und installiert danach das Reclaim-Plugin. Wie das genau geht, hab ich hier aufgeschrieben.
Warum überhaupt?
Weil es geht. Und weil es deine Daten sind. Die werden eh schon von jedem Netzwerk kommerziell genutzt, dann solltest du zumindest einen Überblick haben. Und den bekommt man tatsächlich. Ich kann bei meiner derzeitigen Reclaim-Installation ganz gut bis ins Jahr 2007 zurückreisen. Sind alle Daten mal importiert, kann man sie mit der WordPress-Suche gezielt filtern und durchsuchen, z.B wie oft man bei Foursquare an einem bestimmten Ort eingecheckt hat, wie oft man zum #tatort getwittert oder welche politischen Parteien man auf Facebook (aus Versehen) geliked hat. Klar kann man vieles davon auch irgendwie direkt bei dem jeweiligen Dienst herausfinden. Das ist aber umständlicher und macht Facebook pleite, ist man aufgeschmissen.
So hat man immer ein aktuelles Backup aller Aktivitäten auf dem eigenen Server. Auch ergeben sich durch die gesammelten Informationen in einem einzigen System unzählige, statistische Auswertungsmöglichkeiten des eigenen (Online)-Verhaltens.
Und nicht zuletzt: Hat man die letzten sieben Jahre Social-Media importiert bekommt man auch ein besseres Gefühl dafür, was man so alles in seiner Gesamtheit auf verstreuten Diensten publiziert und offen legt und kann so sein Online-Verhalten konstant überdenken und anpassen.
Moment mal…
Wenn ich alle meine Social-Media-Aktivtäten an einem Ort öffentlich ablege, erleichtere ich doch kommerziellen Anbietern, die Daten einfacher abzugreifen und zu verwerten!
Stimmt. Alle Einträge sind bei WordPress per Default als RSS-Feed abrufbar und ein normales WordPress-Theme dürfte für einen guten Daten-Scraper auch kein großes Hindernis darstellen.
Wer also diesbezügliche Bedenken hat, sollte seine eigene Reclaim-Seite mit einem der zahlreich vorhandenen Plugins am besten komplett passwortschützen.
Klingt perfekt?
Ist es aber noch nicht. Das Plugin ist immer noch im Beta-Stadium, das letzte Update war am 9.3.2014 und die letzte Support-Anfrage wurde am 30.9.2014 gestellt. Das ganze ist damit bestimmt noch ein gutes Stück davon entfernt ins offizielle WordPress-Plugin-Verzeichnis zu wandern und mir sind bei meiner Installation ziemlich schnell mehrere Bugs, Unschönheiten und Sachen aufgefallen, die ich mir anders vorstellen könnte. So werden z.B. lediglich die letzten 1000 Tweets importiert (was wahrscheinlich mit einer Einschränkung der Twitter-API zusammenhängt), es wird bei jedem Tweet mein Profilbild erneut in die Mediendatenbank kopiert (was meiner Meinung nach zur unnötigen Überfüllung derselben führt) und mir fehlt natürlich auch noch der ein oder andere Dienst, den ich persönlich nutze.
Das ist aber kein Grund aufzuhören, sondern Ansporn weiter zu machen. Zu dem Projekt kann jeder beitragen, der Interesse dafür hat. Wer coden kann, kann sich an der Weiterentwicklung beteiligen, wer gestalten kann, kann spezielle Themes entwickeln und wer es einfach nutzen will, kann Bugs melden und Beta-testen. Ich hab Bock drauf.
Meine Social-Wall läuft seit Mitte Dezember stabil und zuverlässig unter reclaim.bielinski.de. So lange noch nicht alle meine Dienste abgedeckt werden, werde ich das in den nächsten Wochen noch mit anderen WordPress-Plugins abfangen (und darüber bloggen).
Eine Installationsanleitung für interessierte Neueinsteiger gibt es im Reclaim-Wiki oder in diesem Blogpost.
Reclaim-Logo von kosmar und reclaim.fm
2 Gedanken zu „Reclaim-Social-Media: Ein neuer Anfang“