Im Mai 2023 wurde im Rahmen der BR-Sendung Münchner Runde über Altersarmut bei Frauen diskutiert. Für die Sendung wurde auch ein kleiner Einspieler1 produziert, für den meine Lieblingsbibliothekarin und ich ein bisschen was über unsere familiäre Arbeitsaufteilung (über die ich auch schon mal im Eltern ohne Filter Podcast geredet habe) erzählen und am Ende unsere Rentenbescheide vergleichen.
Für den Beitrag hat uns der Redakteur an einem Sonntagvormittag ziemlich kurzfristig beim Frühstück besucht und uns viele Fragen gestellt. Das Gespräch hat bestimmt 45 Minuten gedauert. Vieles davon kommt nicht im Beitrag vor. Das ist ganz normal. War im Eltern ohne Filter Podcast auch so. Das muss natürlich auf 2:30 eingedampft werden und es ist auch normal, dass durch die Auswahl und das Schneiden des verwendeten Materials eine bestimmte Geschichte erzählt wird.
Alles was im Beitrag vorkommt, stimmt zu 100%. Sogar, dass wir am Ende über unsere Rentenbescheide überrascht sind ist nicht inszeniert2. Das sind alles Antworten auf Fragen, die uns gestellt wurden.
Interessant ist aber, welche Fragen uns nicht gestellt wurden. Welche Antworten man also gar nicht rausschneiden konnte, weil es keine Möglichkeit gab, sie zu geben.3
Meine Frau wurde hier gefragt, ob es manchmal für sie schwierig ist, dass ich so viel im Haushalt mache. Die Frage ist natürlich legitim, wenn man darüber berichtet, wie sich ein Paar die Arbeit aufteilt und ob es da machmal zu Konflikten kommt. Das kann man fragen. Beide Beteiligte.
Mir wurde die Frage aber gar nicht gestellt. (Dabei hätte ich da einiges zu erzählen gehabt! Alter! EINIGES!)
Im Gegenzug antworte ich hier auf die Frage, ob ich denn nicht vermisse, Karriere gemacht zu haben. Die Frage nach beruflicher Karriere ist natürlich legitim, wenn man darüber berichtet, wie sich ein Paar die Haus- und Erwerbsarbeit aufteilt und wer welche Prioritäten setzt. Das kann man fragen. Beide Beteiligte.
Meiner Frau wurde die Frage nach Karriere aber gar nicht gestellt. (Dabei hätte sie da einiges zu erzählen gehabt als Gründungsbibliothekarin mit Personalverantwortung. EINIGES!).
Kurzer Ausflug ins Alternativuniversum.
Wir haben vor 17 Jahren nicht unser erstes und zwei Jahre später unser zweites Kind bekommen. Wir sind verheiratet, wohnen zusammen und verdienen beide unser eigenes Geld. Der BR berichtet darüber, wie wir unsere Aufgaben verteilen. Niemand würde nur meiner Frau die Frage nach dem Haushalt stellen und niemand würde nur mich nach der Karriere fragen.
Mit dem ersten Kind wird aber immer noch alles anders. Das hat viele strukturelle und politische Gründe, an denen wir dringend noch sehr viel ändern müssen.
Aber es sind auch kulturelle, über Jahrzehnte eingebrannte Gewohnheiten und Muster, die uns daran hindern, die Fragen so zu stellen, dass wir die Muster aufbrechen und andere Antworten geben können.
Viel mehr Anregungen zu Musterbrüchen hat Patricia in ihrem passenderweise mit Musterbruch betitelten Buch aufgeschrieben. Das beste Geschenk für jeden Junggesellenabschied und jede Babyshowerparty.
[^1]: Der Beitrag lief zusätzlich am selben Tag auch in der Abendschau und ist mittlerweile nicht mehr in der Mediathek. Ich hab ihn deshalb als Quellenmaterial auf YouTube abgelegt und hoffe, das ist ok.
[^2]: Wir sind beide echt nur so mittel begabt was Gelddinge angeht.
[^3]: Meiner Lieblingsbibliothekarin ist das alles schon direkt nach dem Dreh aufgefallen. Es sagt wahrscheinlich auch ziemlich viel über meine Denkmuster aus, dass ich darauf erst ein halbes Jahr später durch meinen Jahresrückblick gekommen bin und ihr vorher nicht richtig zugehört habe.
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