in Tagebuch, Unterwegs

Zwei Tage Bochum

Es ist nicht die schönste Stadt, aber eine Reise ist Bochum auf jeden Fall wert.

Die Anreise am Donnerstagabend gestaltet sich etwas komplizierter als erwartet, aber am Ende checken wir um 0:30 im ibis style ein. Den style suchen wir das ganze Wochenende zwar vergeblich, aber das Hotel liegt einfach maximal zentral. Es ist ein Seitengebäude vom Hauptbahnhof. Kann man machen für ein langes Wochenende. Wenn man sowieso die meiste Zeit unterwegs ist.

Am Freitag wird die Stadt dann erst mal erlaufen. Um die Ecke vom Bahnhof entdecke ich ein Willkommensschild. Es ist Kunst aus dem Jahr 2009. Ich bin durchgelaufen und jetzt mitgezählter Teil einer Installation. Fühle mich gesehen und ein bisschen arty.

Wer altes Fachwerk sucht, ist in Bochum fehl am Platz. Hier gibt es Nachkriegsbeton und ehrliche Ladenbeschriftungen, die keine falschen Versprechungen machen. Mein Freund Dirk, der aus dem Pott kommt, schreibt mir, dass der inoffizielle Stadtmarketingslogan von Bochum (oder dem ganzen Ruhrgebiet) lautet: Woanders is auch scheiße. Gefällt mir.

Wir sind am Anfang zu zweit unterwegs und weil wir beide mit Bibliothekarinnen verheiratet sind (und ein bisschen auch, weil es regnet), suchen wir selbstverständlich sofort die zentrale Stadtbibliothek auf. Ein in Beton gegossener Klotz, der aussieht wie mein altes Gymnasium aus den 1980ern. Stark!

Was die Fassade verspricht, wird drinnen gehalten.

Ich bin mit einem Comic-Experten unterwegs und er bestätigt: Der Comic-Bestand ist hervorragend kuratiert und vor allem: hervorragend sortiert. Es gibt nichts nervigeres, als sich die einzelnen Bände einer Comic-Reihe aus lieblos einsortierten Regalen selbst zusammenzusuchen. In Bochum steht alles ordentlich nach Bänden sortiert und ist noch mit einem kleinen Infokärtchen zu einzelnen Reihen ergänzt. Jemand liebt hier seinen Bestand.

Am Themenregal „Nachhaltigkeit“ hab ich persönlich auch rein gar nichts auszusetzen. Ganz im Gegenteil.

Weil sich nicht jeder in 80er-Retro-Optik so wohl fühlt wie ich und wahrscheinlich die Leitungen auch langsam über dem Verfalldatum sind, wird in der Innenstadt gerade ein altes Backsteingebäude entkernt und zum Haus des Wissens umgebaut. Die Bibliothek wird dort auch einziehen und dann stehen die Comics in einem schick hergerichteten Industriebau.

Im Laufe des Tages trudelt die restliche Reisegruppe ein und wir suchen das Kunstmuseum auf. Lohnt sich.

Nach dem Kunstmuseum ist vor dem Bergbaumuseum. Das besuchen wir am Samstag. Und auch das ist wirklich sehr empfehlenswert. Als jemand, der bisher wenig Kontakt mit dem Ruhrgebiet hatte, erfährt man hier ausführlich, wie der Bergbau über mehr als eine ganzes Jahrhundert die Region geprägt hat. Was für positive und negative Folgen er hatte und mit welch unfassbarem Aufwand und Gerät die Kohle aus der Erde gefördert wurde.

Von ganze oben vom Förderturm des Museums hat man einen schönen Blick über die graue Stadt. Ich mache dort oben ein obligatorisches Gruppenselfie und da gucken vier Männer in meine Handykamera, die alle im weitesten Sinne irgendwas mit Computern zu schaffen und hier gerade ein sehr großes Aha-Erlebnis haben, als sie sehen, dass man die iPhone Kamera auch mit den Lautstärketasten auslösen kann. Lebenslanges Lernen. Wichtig.

Die Abende verbringen wir im Bermuda-Dreieck. Das zentrale Ausgehviertel. Currywurst isst man im Bratwursthaus. Fiege-Pils trinkt man im Brinkhoffs. Da läuft Rock. Mehr Fiege-Pils trinkt man dann im Intershop. Da läuft Punk-Rock. In der Reihenfolge macht man insgesamt nichts falsch.

Bochum hat also einiges zu bieten, was aber fehlt, ist ein H. Da muss die Bahn mal wieder eins nachkaufen.

    Reposts

  • ♻️ Danny / Wahlheimat.Ruhr

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Kommentar

  1. Als jemand, der zwar nicht (mehr) im, aber (immer noch) am Ruhrgebiet lebt, finde ich immer super spannend, was Besucher von woander so sehen. Oder entdecken (ach guck, ein Kunstmuseum in Bocheum??)
    (Und warumd er Artikel erst heute in meinem Feedreader auftaucht, finde ich auch spannend, aber das ist ein anderes Thema)

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