Seit 20 Jahren laufe ich. Mal mehr, mal weniger. Ein paar Dinge habe ich dabei für mich gelernt.
1. Zahl die Startgebühr!
Am 6. Juli 2003 bin ich meinen ersten Münchner Stadtlauf gelaufen. Auf dem Bild oben rechts mein Freund Thomas, links ich. Thomas hat offiziell Startgebühr bezahlt, sein offizielles Startgebühr-Shirt an und eine offizielle Startgebühr-Teilnehmer-Urkunde. Ich dachte damals noch: „Spar ich mir das Geld und lauf einfach so neben den anderen her. In meinem Baumwoll-T-Shirt mit “lustigem” Aufdruck“. Ich habe noch nicht mal eine eigene Teilnahmeurkunde und muss die von Thomas mit festhalten. Bei einem offiziellen Lauf ohne offizielles Laufshirt mitlaufen fühlt sich in etwa so an wie dieses Meme. Nur andersrum.
2. Zahlen sind mir nicht soooo wichtig …
Klingt natürlich superglaubwürdig von jemand, der schon so oft über Lauftracking gebloggt hat. Ich hab schon ziemlich viele Lauf-Apps und Fitness-Tracker durchgetestet. Und die werfen auch immer total viele Daten raus. Nur schlau bin ich aus denen bisher selten geworden und mittlerweile habe ich gemerkt, dass mir die Pace und der VO2max meistens egal sind.
3. … ein paar Zahl aber schon
Ich hab mal meinen Maximalpuls berechnet. So als Sicherheit. Damit mich meine Laufuhr darauf hinweisen kann, wenn ich mich zu sehr anstrenge. Ist bisher aber noch nie passiert. Die einen sagen: “Dein Körper kennt seine Grenze automatisch”, die anderen: “Mehr ist mit dem Körper halt einfach nicht drin.“
Meine wichtigste Kennzahl ist: Regelmäßigkeit. Ich versuche mindestens zweimal in der Woche zu laufen. Dreimal ist besser. Das tracke ich dann immer mit. Die Herausforderung ist, die Regelmäßigkeit beizubehalten, v.a. wenn ich zwischendurch mal krank bin oder in der Arbeit viel Stress und wenig Freizeit habe. Da hat es mich auch schon öfter aus dem Rhythmus geworfen. Was dabei hilft ist …
4. … ein Ziel
Bei mir sind das entweder organisierte Läufe oder Challenges. Meine aktuelle Laufuhr von Garmin hat eingebaute Trainingsprogramme. Da hab ich mich schon mal von Coach Greg auf einen Halbmarathon vorbereiten lassen, mein Freund Dirk ruft in seinem Minutenmarathon-Newsletter immer wieder zu Herausforderungen auf (z.B. Streak-Runs) und im Sommer werde ich den 10km-Laufteil bei einer Triathlon-Staffel übernehmen. Darauf trainiere ich gerade mit einem selbstdefinierten Programm, das im Wesentlichen daraus besteht, dreimal die Woche zu laufen. Und da spielen Zahlen dann doch ab und zu eine Rolle. Wenn meine Uhr mir etwa vibrierend den Rhythmus eines Intervalllaufs vorgibt. Langsam, schnell, langsam, schnell. Da ist das praktisch. Aber am Ende ist das Allerwichtigste, dass ich laufen war. Egal welche Pace.
5. Laufen geht immer und überall
Ich hab auch andere Sportarten ausprobiert. Bei allen bin ich nicht dran geblieben. Fußball, Fitnessstudio oder Badminton. Immer muss man zu einem bestimmten Zeitpunkt irgendwo sein und ist dann auch noch von anderen Menschen abhängig. Viel zu viele Möglichkeiten für viel zu viele Ausreden, es nicht zu tun.
Beim Laufen muss ich nur Laufschuhe anziehen und vor die Tür gehen. Feste Laufzeiten einplanen hilft bei der Regelmäßigkeit. Ich hab, je nach Lebenssituation, immer wieder an meinen Lauftagen und Zeiten rumgeschraubt.
Als die Kinder noch klein waren, bin ich oft schon morgens um 5:30 Uhr los. Als Frühaufsteher ist das ein schöner Start in den Tag. Realistische Zeiten fix einplanen, die man auf jeden Fall einhalten kann. Wenn es grad nicht anders geht, dann lieber auch mal nur einen Tag in der Woche. Hauptsache der fällt nicht aus.
6. Beim Laufen hab ich meine Ruhe
Laufzeit ist meine Zeit. Laufgruppen sind nichts für mich. Reden muss ich den ganzen Tag mit der Familie und den Kolleginnen. Beim Laufen kann ich entweder meine Podcast-Warteschlange abarbeiten, neue Musik hören oder gar nix hören und mir Schmarrn ausdenken.
Einzige Ausnahme von dieser Regel: ein paar organisierte Läufe im Jahr. Da lässt sich die Gruppe nicht vermeiden. Am Anfang war ich davon eher genervt, mittlerweile finde ich das als Erlebnis ganz gut und hab sogar mit den Trommelgruppen, die beim Münchner Stadtlauf immer am Streckenrand stehen, meinen Frieden geschlossen.
7. Laufen schafft Momente
Es gibt ein paar Sachen, an die ich mich immer noch erinnern kann. Meinen ersten Halbmarathon, die Frau mit dem Katzenohrenhaarreif, der Einlauf ins Olympiastadion und wie ich mich bei einem Winterlauf in meiner alten Heimat mal komplett verfranzt hab.
8. Es ist egal, wie ich aussehe
Bekannte von mir wohnen in einem sehr hässlichen Betonhochhaus. Sehr zentral gelegen mit einem wunderbaren Ausblick auf eine sehr bekannte Sehenswürdigkeit. Auf die Frage, ob ihnen das Hochhaus nicht zu hässlich sei, meinten sie, dass sie die meiste Zeit ja nicht auf das Hochhaus blicken, sondern aus dem Hochhaus raus auf die wunderschöne, bekannte Sehenswürdigkeit. Sie fühlten sich hier wohl.
Wenn ich laufe, ist mein Körper dieses Betonhochhaus. Je nach Wetter hab ich entweder nach zwei Minuten einen hochroten Kopf und der Schweiß läuft mir in Strömen oder ich bin nach einem komplett verfranzten Winterlauf in meiner alten Heimat von der Ästhetik her auf den Spuren des Ötzi unterwegs.
Schön ist das alles nicht, aber ich muss es ja nicht anschauen. Ich fühl mich wohl dabei.
9. Laufen geht auch ohne Gewichtsverlust
Natürlich war ein Auslöser zu joggen auch das Schielen auf meinen Dadbod (sogar, als ich noch gar kein Dad war, sondern nur ein Bod). Aber da tut sich nichts. Das hab ich schon vor ein paar Jahren gemerkt. Mittlerweile ist mir das meistens egal. Solange ich mich fit fühle, ist es gut. Und außerdem …
10. … Fatboys run
Man kann auch mit einem BMI an der Grenze zur Adipositas einen Halbmarathon laufen. Wobei der BMI eh kritisch zu sehen und das bitte kein medizinischer Ratschlag ist. Mein einziger medizinischer Ratschlag ist: Fragt einen Mediziner. Im Zweifel lieber einmal zu oft. Und hört auf euren Körper, erzwingt nichts. Ich hatte auch schon ein paar mal Probleme mit irgendwelchen Nerven, eingeschlafenen Füßen oder einem drohenden Fersensporn. Arzt konsultieren, längere Laufpause einlegen, Einlagen in die Schuhe. Das hat bei mir bisher immer geholfen. (P.S. zu dieser Zwischenüberschrift hat mich der Titel dieses Podcasts inspiriert, den ich selbst noch nicht gehört habe, der mir aber schon mehrmals empfohlen wurde.)
11. Ich entdecke meine Stadt. Immer wieder neu.
Wenn ich laufe, lerne ich meine Stadt besser kennen und sehe, wie sie sich verändert. Natürlich hab ich meine zwei Standardlaufrouten, die ich oft fast automatisch einschlage. Aber manchmal such ich mir auch was Neues. Z.B während der Corona-Zeit. Da bin ich einmal bis ans Ende der Stadt oder mitten auf der leeren Sonnenstraße gerannt. Und wenn man morgens um 6 Uhr durch Giesing joggt, bekommt man eine Ahnung davon, wie eine Stadt ohne Autos sein könnte.
13. Laufen ist günstig
Man braucht nicht viel. Ein bisschen mehr als ein Baumwollshirt mit einem “lustigen” Aufdruck aber schon. Laufklamotten aus schweißabweisendem Material sehen scheiße aus, aber machen Sinn. Ich fahre da sehr gut mit der relativ günstigen Laufkleidung eines bekannten Kaffeerösters. Da halten die Sachen bei mir teilweise bis zu zehn Jahre. Laufshirts bekommt man außerdem auch immer bei organisierten Läufen (wenn man nicht gerade ohne Startgebühr mit einem Baumwollshirt mitläuft). Ein bisschen mehr investiere ich in Laufschuhe. Einmal im Jahr sind die Schuhe durchgelaufen und ich kaufe mir einen neuen Schuh im Preissegment bis 150 €. Der Einfachheit halber immer das Nachfolgemodell des aktuell durchgeratzten Schuhs.
14. Man kann immer anfangen
Man kann einfach loslaufen. Auch wenn man bisher in seinem Leben noch nie gelaufen ist. Egal in welchem Alter. Jeder Zeitpunkt ist der richtige. Am Anfang sogar mit Baumwollshirt und Turnschuhen, die halt daheim grad so rumstehen. Nach ein paar Läufen merkt man dann, ob es einem taugt und kann es entweder bleiben lassen oder sich ein bisschen Funktionswäsche beim Kaffeeröster bestellen. Ein sehr gutes Buch für Laufeinsteiger hat mein Freund Dirk geschrieben. Der Minutenmarathon. Und wenn ihr dann mal beim Stadtlauf mitlauft: Zahlt die Startgebühr!
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