Im Oktober 2015 habe ich an einem Zukunfts-Workshop der Stadtbibliothek München teilgenommen. Es ging um mögliche, zukünftige, digitale Angebote der Stadtbibliothek.
Zusammen mit Mitarbeitern der Stadtbibliothek waren die Nutzer aufgefordert ihre Ideen einzubringen. Der Workshop war gut organisiert und in kleinen Gruppen kamen teilweise naheliegende, teilweise nicht so ganz naheliegende Ideen zusammen. Es ging hauptsächlich darum, wie man in der Bibliothek vorhandene Daten und Informationen digital aufbereiten, mit externen Daten verknüpfen und dem Nutzer möglichst komfortabel zur Verfügung stellen kann. Am Ende stand eine schöne Liste mit Featurewünschen und Ideen. Ob und was davon wie umgesetzt wird, ist wohl noch offen (zumindest habe ich seither nichts mehr von dem Projekt gehört).
Vor ein paar Wochen hat mich der Vortrag Open Data im ÖPNV – und es bewegt sich doch! bei der #rpTEN wieder an diesen Workshop erinnert.
Stefan Kaufmann berichtet darin, wie der Öffentliche Personennahverkehr Deutschlands (einschließlich der Deutschen Bahn) im letzten Jahr Fahrplandaten zur freien Nutzung online gestellt hat. D.h. jeder, der eine App oder Anwendung programmieren möchte, kann jetzt kostenlos auf alle Daten zugreifen und diese beliebig verknüpfen und weiterverarbeiten.
Kaufmann sieht die Fahrplandaten als öffentliches Allgemeingut, die jeder frei nutzen können sollte. ÖPNV und Bahn sollten sich auf ihre Hauptdienstleistung, den Transport, konzentrieren, statt jeweils einzelne, oft wenig komfortable und untereinander inkompatible Apps oder Webanwendungen zu programmieren.
Wenn die Anbieter ihre Daten öffnen und z.B. bei Hackathons in direkten Kontakt mit motivierten Open-Data-Aktivisten und Entwicklern treten, können interessante, neue Anwendungen entstehen, die von einer aktiven Community weiterentwickelt werden, welche wesentlich schneller und effizienter auf Userwünsche eingehen kann, als ein großes, halbstaatliches Unternehmen.
Was hat das jetzt mit der Stadtbibliothek zu tun?
Jede Stadtbibliothek sitzt auch auf einem riesigen Datenhaufen. Einer der wichtigsten dürfte der sogenannte OPAC (Online Public Access Catalogue) sein. Dort sind alle in der Bibliothek ausleihbaren Medien erfasst. Diesen Katalog kann man auch übers Internet nutzen. Allein, es macht meistens nicht besonders viel Spaß.
Hier ist eine exemplarische Suche im OPAC der Stadtbibliothek München nach einer Mad Max-DVD.
Die Suche ist sehr umfangreich und detailliert möglich. Gleichzeitig ist es einfach nicht schön und unübersichtlich. Verschiedene Icons und unnötige Titelinformationen verwirren mich hier mehr, als sie mir zeigen, wie ich am schnellsten an den Film komme. Es sind für eine Reservierung viel zu viele Klicks nötig. Man darf in der Anwendung auf GAR keinen Fall den Browser-Back-Button nutzen (wer es trotzdem macht, fliegt raus), es gibt keine Möglichkeit direkt auf einen Datensatz zu verlinken und auf dem Smartphone macht das ganze noch weniger Spaß. Das ganze Ding ist einfach nicht zeitgemäß.
Die Stadtbibliothek München steht hier nur exemplarisch. Andere Großstadt-Bibliothekssysteme sind ähnlich, wie z.B. Köln oder Berlin.
Wer die bunten Kacheloberflächen von Netflix und Amazon gewohnt ist, wird in diesen Usabilty-Wüste schnell verdursten.
Und dabei sind die Datensätze in den OPACS teilweise sehr detailliert formal und inhaltlich erschlossen, aber die Daten werden nach außen unter Wert präsentiert und verkauft.
Wenn die OPAC-Datensätze unter einer CC-Lizenz frei publiziert würden oder die OPAC-Systeme eine offene API böten, könnten Entwickler auf die Daten zugreifen und, ähnlich wie bei den offenen Fahrplandaten, neue, nutzerfreundlichere Apps und Webandwendungen produzieren. Mashups mit Drittdaten oder praktische, neue Zusatzfunktionen, die die OPAC-Systeme von Haus aus nicht bieten, wären möglich.
Gerade die Stadtbibliothek als öffentliche Einrichtung könnte über so eine Öffnung gezielt Open-Data-Aktivisten ansprechen und z.B. Hackathons im eigenen Haus veranstalten, bei denen Entwickler, Bibliotheksnutzer und Bibliotheksangestellte gemeinsam neue Ideen und Anwendungen entwickeln.
Bei einem weiteren #rpTEN Vortrag forderte Wibke Ladwig Bibliotheken dazu auf, sich den digitalen Raum zu erobern. Und zwar in Kooperation mit anderen Institutionen oder nicht-institutionell organisierten Menschen. Offene OPAC-Daten wären eine gute Basis für solche Kooperationen.
Habe heute wohl zu viel in „Das Auto ist nur eine vorübergehende Erscheinung“ geschmökert – extrem amüsant …@heibie @StadtBibMuc