Anke Schulz war lange Bildredakteurin bei Gruner&Jahr und hat 2012, als der Verlag eine erste große Entlassungswelle bei den Wirtschaftsmedien durchgeführt hat, als Betriebsrätin die Transfergesellschaft mit erkämpft. Heute berät sie andere Betriebsräte. Ohne sie zu kennen, muss ich Anke Schulz da wahrscheinlich sehr dankbar sein. Als Gruner&Jahr 2014 den Standort München geschlossen hat (und ich keine Lust hatte nach Hamburg zu ziehen), gab es eine 2. Transfergesellschaft. In diese bin ich eingetreten.
Eine Transfergesellschaft ist ein arbeitsmarktpolitisches Instrument. Vereinfacht gesagt: Bei größeren Entlassungen einigen sich Unternehmen und Betriebsrat und richten eine Transfergesellschaft ein. Diese wird von einem externen Dienstleister betrieben und stellt die entlassenen Mitarbeiter noch mal für maximal ein Jahr an (reguläre Gehaltsabrechnung, Kranken- und Sozialversicherung inkl.). Finanziert wird das, zumindest in meinem Fall, vom alten Arbeitgeber, der Arbeitsagentur und dem Angestellten selbst.
Ziel der Transfergesellschaft ist es, den Arbeitnehmer so schnell wie möglich wieder in ein Beschäftigungsverhältnis zu bringen.
Die inhaltliche Ausgestaltung und Qualität einer Transfergesellschaft ist dabei maßgeblich vom Dienstleister, der das ganze organisiert, und dem persönlichen Engagement des einzelnen Mitarbeiters abhängig. Ich hab da auch schon von reinen Aufbewahrungsveranstaltungen mit 08/15-Bewerbungsschreiben-Trainings gehört. Bei mir was es zum Glück nicht so.
Ich war von Juni 2014 bis Februar 2015 in der Transfergesellschaft und kann rückblickend ein sehr positives Fazit ziehen.
Zum einen bietet eine Transfergesellschaft nach der Entlassung erst mal eine längere, finanzielle Absicherung. Die Arbeitslosigkeit beginnt erst ein Jahr später. D.h. man hat Luft zum Durchatmen, Nachdenken.
Gleichzeitig hatte ich das Glück in den ersten Monaten mit einer sehr guten Coachin zusammen zu arbeiten. Ich gebe zu, ich war da zu Beginn sehr skeptisch und befürchtete vor allem Bullshit-Bingo-heiße-Luft und Tschakka-du-schaffst-das-Gedöns.
Gleich nach der ersten Einzelsitzung waren die Bedenken aber verflogen. Die Arbeit mit Petra hat mir sehr viel gebracht. Wenn ich das jetzt gleich so aufschreibe, klingt das ein bisschen so doof, dass ich, würde ich es selber lesen, eher nicht machen würde. Aber es war toll.
In den drei längeren Einzelsitzungen gelang es tatsächlich meine Stärken und Fähigkeiten herauszuarbeiten. Also so herauszuarbeiten, daß ich die auch für mich gesehen, wahrgenommen, akzeptiert und verinnerlicht habe. Wenn man 15 Jahre nonstop im Berufsleben zu Gange ist, sammelt sich einiges an Know-How an. Und das geht weit über die eigentliche Jobbeschreibung hinaus.
Man hat im Arbeitshamsterrad überhaupt keine Zeit, sowas zu reflektieren. Ist so. Hab ich selbst gemerkt. Mit Abstand und professioneller Unterstützung geht das viel besser.
Neben den Stärken (und Schwächen. Die standen aber nie im Vordergrund) gelang es auch meine Prioritäten, Verpflichtungen und Wünsche herauszuarbeiten und realistisch einzuschätzen.
Am Ende standen dann 2-3 Strategien, die ich gezielt angegangen bin (und die nicht alle so funktioniert haben, wie geplant, aber am Ende zu einem guten Ergebnis geführt haben).
Ich konnte mich während der Zeit gezielt zum Trainer fortbilden und parallel erste praktische Schulungserfahrungen sammeln. Am Ende stand eine Teilzeit-Anstellung und eine freie Mitarbeit, die ziemlich gut zu meinen definierten Anforderungen passen.
Die Ergebnisse des Coachings haben mir auch sehr dabei geholfen, auf Jobangebote zu reagieren (und diese auch abzulehnen, wenn es nicht zu den gewonnen Erkenntnissen gepasst hat).
Zusätzlich zur Einzelbetreuung, gab es auch regelmässige Gruppentermine mit den anderen Teilnehmern. Das war gut, weil es immer gut ist, sich mit anderen auszutauschen. Das erweitert den Horizont und gibt gleichzeitig Unterstützung, wenn es mal nicht so mit den Bewerbungen oder der ausgearbeiteten Strategie läuft.
Die Transfergesellschaft war, zumindest für mich, eine feine Sache, die ich jedem in einer ähnlichen Situation als Option zur Prüfung empfehlen kann.
Sie hat mir auch gezeigt, wie wichtig eine starke Mitarbeitervertretung ist. Gewerkschaften und Betriebsrat haben in einem modernen, irgendwie coolen, unverbindlichen Medienumfeld, in dem es häufig von freien Einzelkämpfern mit festen Bürozeiten wimmelt, oft den Charme der opahaften Oldschooligkeit. Wenn es am Ende aber hart auf hart kommt, sind es genau diese Einrichtungen, die für sozial verträgliche Lösungen zu Gunsten aller Mitarbeiter kämpfen.
Vor sechs Monaten bin ich aus der katholischen Kirche ausgetreten, vor einem Monat in eine Gewerkschaft eingetreten.