Lieber Dieter,
danke dir für deinen ausführlichen Kommentar. Ich werde versuchen im Folgenden auf alle Punkte einzugehen. Vorweg aber ein paar grundsätzliche Sachen:
Mein Sohn spielt Lego, spielt Fussball, spielt mit Freunden, klopft sich mit Freunden, spielt irgendwas, erfindet Geschichten, Klettert, streitet sich mit seiner Schwester, schaut Filme, liest schaut Bücher und Comics an und spielt manchmal auch Spiele auf dem iPad/Mac oder seit neuestem auch auf der PS3.
Es liegt mir fern, all diese Beschäftigungen irgendwie gegeneinander auszuspielen. Es kommt auf die Mischung an.
Ich mache aber des öfteren die Feststellung, dass Eltern keine Probleme mit den meisten dieser Beschäftigungen haben, lediglich beim Thema Computerspiele kommen Befürchtungen, Ängste und Restriktionen ins Spiel. Das ist dann meistens nur o.k., wenn man daraus noch irgendeinen Nutzen ziehen, sprich irgendwas Lernen kann. Kinder lernen aber nicht nur, wenn sie ein sogenanntes Lernspiel von Ravensburger klicken, sondern sie lernen einfach immer. Bei allem, was sie machen. Das wollte ich zeigen. Und am allerwichtigsten: sie sollen Spaß dabei haben.
Außerdem finde ich es wichtig, und das schreibe ich zwar nicht explizit, man kann es aber zwischen den Zeilen rauslesen, dass man die Kinder dabei begleitet. Das klingt, wie eine Binse, ist aber nach meiner Erfahrung nicht unbedingt normal. Oft werden Kinder auch nur vor dem Gerät abgestellt. Eltern haben keine Zeit, einfach kein Interesse an Computerspielen oder haben schlichtweg Angst vor der, für sie neuen Technik. Also: Dabei sein, Fragen beantworten beobachten und, falls nötig, eingreifen. Zumindest am Anfang, wenn ein Spiel neu ist.
Mit diesen Grundsätzen beantworten sich einige deiner Punkte schon, ich leg jetzt aber trotzdem mal los:
Was ist der Vorteil für einen Sechsjährigen, wenn er kein Tablet hat? Dieses Wissen ist für mich so “wertvoll” wie ein Wörter für Zahlen und Farben, die Kinder im Kindergarten oder in der Grundschule lernen. Schadet nicht, aber was soll das? Mehr zu wissen ist besser als wenig zu wissen, aber inhaltlich ist das irrelevantes Wissen.
Ich bin mir sicher, es gibt kein irrelevantes/unnützes Wissen. Irgendwann wird er lernen müssen, mit Touchgeräten umzugehen.
“Bedeutung von Icons und Bildsymbolen
Auch das ist so wertvoll wie der Punkt zuvor. Außerdem sind diese Icons oft nicht so logisch, dass ein Transfer möglich ist. Diese Icons lernt man, und das kann auch noch später geschehen.
kann später geschehen, ich seh aber auch keinen Schaden darin, wenn es jetzt passiert.
Ursache und Wirkung sind in Spielen oft reichlich komplex miteinander verbunden, logisch ist das nicht immer. Oder es ist so kompliziert verknüpft, dass der Zusammenhang nicht zu erkennen ist. Manche Spiele sind manchmal schon durch wildes Herumdrücken auf den Tasten zu bedienen, zumindest führt dies zuweilen zum Erfolg. Wo da dann Ursache und Wirkung gewesen sein sind ist gar nicht zu erkennen.
Klar. So spiele gibt’s. Und ich hab früher manches Sierra-Adventure auch nur mit Trial and Error gelöst. Spass hat’s mir trotzdem gemacht, wenn eine Lösung funktioniert hat.
Du meinst, ein Sechsjähriger ist in der Lage, wirklich Werbung zu erkennen und darauf richtig zu reagieren? Er erkennt vielleicht, welche Fenster zum Spiel gehören und welche nicht, aber mit Verständnis für Werbung hat das nichts zu tun. Bei geschickterer Werbung oder dem nächsten Spiel steht er hilflos da. Und von wegen “ökonomisch orientierte Gesellschaft”: Hast Du ihm das so auch so erklärt? Mein Sohn (7 >J.) hat genug damit zu tun zu verstehen, was Geld verdienen und Geld bezahlen wirklich bedeutet. Bis er “gewinnorientiert” versteht, dauert noch was.
Klar kann ich ihm erklären, was Werbung ist. In kindgerechter Sprache natürlich (“gewinnorientiert” benutze ich da nicht). Er kann auch Werbeplakate in der Stadt erkennen und weiss, dass die “wollen, dass wir die Sachen kaufen”. Das ist so auch auf Spiele übertragbar und wird immer besser funktionieren, je besser er Lesen kann. Das man mit einem “X” die Werbung schließt funktioniert jetzt schon oft.
Ein Sechsjähriger, der 24 Stunden warten kann? Glückwunsch, wenn Du so ein stoisches Exemplar hast. Nach meiner Erfahrung ist das eine totale Überforderung für Kinder, wenn sie sich vorher für etwas begeistert haben.
Klar geht das nicht immer reibungslos. Aber es geht ja darum, dass langsam zu lernen.
Du meinst, ein Sechsjähriger kann Abofallen erkennen?
Er versteht zumindest, dass er, wenn er auf den “Kaufen”-Knopf drückt, Geld bezahlen muss. Dieses Grundverständnis wird ihm im Laufe der Zeit auch helfen, komplexere Kauffallen zu erkennen und zu verstehen.
Frust und Misserfolg aushalten
Das klappt nur, wenn er das vorher schon gelernt hat. Hast Du schon mal mit Kindern “Mensch, ärger Dich nicht” gespielt? Frust und Ärger auszuhalten lernt man im Zusammenspiel mit anderen Menschen, galube ich, oder das Kind ist zufälligerweise ein ausgeglichener Charakter.
Klar hab ich schon Mensch-Ärgere-dich-nicht mit ihm gespielt. Und er ist beim ersten mal Verlieren weinend aus dem Raum gerannt. Es geht ja nicht darum alleinig mit Computerspielen Frusttoleranz zu lernen. Aber es trägt eben dazu bei.
Teamwork
Wo ist hier der Unterschied zu anderem Spielen?
Gibt es nicht. Wollte ich aber auch nie behaupten. S.o.
Anleitungen verstehen
Das ist ja ein netter Gag, aber ist das wichtiges Wissen für ein sechsjähriges Kind?
Primär war es als netter Gag gedacht. Sekundär gibt es kein unnützes Wissen.
Das ist schön, wenn das so ist. Ich kann mich nur wiederholen: Veranlagung oder woanders gelernt. Ich weiß von verschiedenen Kindern, wo das nicht gelingt. Eine Nachbarin erzählte von ihren Kindern, die nachher regelrecht gestresst waren und zwischendurch heftig stritten. Nachher haben sie das auch erkannt, die Playstation wurde von der Mutter weggeräumt. Aber der Wunsch, so etwas auszuprobieren, ist trotzdem vorhanden.
Deshalb ist es auch wichtig am Anfang begleitend dabei zu sein. Um ihn auch mal darauf hinzuweisen, dass es jetzt vielleicht doch genug ist, weil es ihn zu arg anstrengt. Funktioniert manchmal, manchmal nicht. Aber wenn er mit 6 schon anfängt sowas zu lernen, kann er mit 9-10 wahrscheinlich schon besser damit umgehen.
Klauen
Das ist doch eine Notwendigkeit in dem Spiel, oder? Wenn Dein Kind demnächst heimlich ein Spiel spielt, bei dem man andere Kinderverprügeln muss, lernt es dann auch etwas oder nicht? Die sehr wichtige Einschätzung, wann man sich an Regeln zu halten hat und wann nicht, würde ich mein Kind nicht bei einem simplen Spiel mit einer konstruierten “Realität” lernen lassen, die mit dem echten Leben vom Inhalt und von der Komplexität nichts zu tun hat.
Das war primär auch eher als netter Gag gedacht. Sekundär gibt es kein unnützes Wissen und eine gewisse Skepsis gegenüber der Autorität des Königs wird ihm später sicher nicht schaden. Außerdem kann man mit 6 Jahren schon abstrahieren, was königliche Fantasiewelt und echte Welt ist. Ein Kinderverprügelspiel würd ich ihn natürlich nicht spielen lassen und es gibt diverse andere Erziehungsschrauben, mit denen ich hoffe zu verhindern, dass er, selbst, wenn er mal so ein Spiel spielen sollte, auf die Idee kommt, das auch in der Realität umzusetzen.
Das bedeutet nicht, dass elektronische Spielgeräte oder Medien vollkommen des Teufels sind, aber den Umgang damit kann man später immer noch lernen. Eine körperliche Entwicklung nachzuholen gelingt später aber nicht mehr.
Ich sehe keinen Widerspruch zwischen Computerspielen und “körperlichem Lernen”. Beides hat seine Berechtigung und kann vereinbart werden. Ich würde da nichts gegeneinander ausspielen, sondern versuchen alles in Einklang zu bringen. Siehe dazu auch meine einführenden, grundsätzlichen Anmerkungen.