in Familie

Ausgependelt

Das Bild von @guidocorleone hat mich an die ersten Zähne meines Sohnes erinnert. Weil das war so:

Vor knapp sieben Jahren. Sonntag Abend, Kind schreit ziemlich. Ziemlich mehr als sonst. Sabbert auch viel. Wir wissen noch nicht so richtig gut Bescheid über Babys, vermuten aber eine erste Zahnung. Jemand empfiehlt uns Nelkenöl. Ich also los zur Notapotheke.

Bei Notapotheken darf man ja nie rein und muss immer durch so ein kleines Guckloch kucken. Ich kucke also durch das kleine Guckloch und verlange Nelkenöl. Die Apothekerin reagiert entsetzt. Nelkenöl scheint ungefähr so gefährlich zu sein wie reiner Alkohol. Oder Rattengift. Oder beides vermischt. Will sie mir nicht geben.

Sie hat aber was anderes für mich und verschwindet kurz. Sie kommt mit verschiedenen Fläschchen zurück. Gemischt von einem mittlerweile berenteten Kinderarzt zu dem „verzweifelte Eltern heute noch bis nach Bad Aibling fahren“. BIS NACH BAD AIBLING! Nicht schlecht. Das sind knapp 60 Kilometer. Guter Deal, denke ich mir.

Aber sie gibt mir das nicht gleich. Sie braucht noch meinen Nachnamen und das Geburtsdatum vom Sohn. Ich denke: vielleicht fürs Rezept. Sie sagt: „Ich muss damit den Energiefluss bestimmen. Damit wir wissen, welches Fläschchen passt.“ Ich denke: Alter! Bin aber gleichzeitig gespannt mit welchem Hightech-Gerät sie den Energiefluss bestimmen will und sage ihr Nachname und Geburtsdatum (konnte ich mir damals noch gut merken. War ja noch nicht so lange her. Und es gab noch kein zweites Kind. Heute … naja). Sie schreibt alles auf einen Zettel.

Und dann holt sie den Energieflussbestimmer. Zuerst erkenne ich das durch das kleine Guckloch nicht richtig. Dann aber doch. Ein Pendel. EIN PENDEL! Erst Bad Aibling und jetzt ein Pendel. Daheim schreit mein Baby.

Sie lässt das Pendel also über den Zettel mit unserem Nachnamen und dem Geburtsdatum pendeln. Dann über die einzelnen Flaschen. Wir haben schließlich einen Gewinner.

Weil jetzt sowieso schon alles egal ist, frage ich sie noch, was sie denn von Bernsteinketten bei Zahnungsschmerzen hält. Sie zögert keinen Moment. Das Pendel kreist wieder über dem Zettel. Nein, Bernstein hilft speziell bei meinem Kind eher nicht. Sie empfiehlt aber, beim nächsten Impftermin darauf zu achten, dass der Mond abnehmend steht (ich weiß, das klingt wie das letzte esoterische Klischeepuzzlesteinchen, sie hat das aber wirklich gesagt).

Bevor sie ihren Hexenbesen raus holen kann, schnappe ich mir das Fläschchen und verschwinde. Unterwegs schaue ich mir den zerknitterten Zettel mit dem Geburtsdatum und dem Nachnamen an.

Wenn jemand zufällig „Dilinsky“ heisst und ein Kind hat, das im November geboren ist: wir haben noch ein paar Tropfen übrig. Gut ausgependelt. Verzweifelte Eltern fahren dafür sogar bis nach Bad Aibling!

 

 

Anmerkung: Die Geschichte hab ich schon mal irgendwann aufgeschrieben, hat mir aber nicht mehr gefallen. 

Serviceanmerkung: Gegen Zahnungsschmerzen hilft am besten so ein Gummibeissteil und v.a. Ausdauer, Geduld und gute Nerven.

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Kommentar

  1. Eigentlich müsste der Apothekenbesitzer erfahren, wen es da für den Notdienst eingestellt hat. Und was sie an der Klappe für Quatsch erzählt.
    Das ist ja hochgradig geschäftsschädigend!

Webmentions

  • Samstagslinks / los enlaces del sábado | Trippmadam 22. April 2015

    […] der Apotheke. Für jemanden wie mich, der jeglichem Aberglauben abhold ist, wäre dies der absolute Albtraum. (Ich hoffe ja, Herr Bielinski hat sich das nur […]