in Tagebuch

Wir lassen uns nicht erpressen?

Mitten in der Münchner Innenstadt, am Sendlinger Tor, protestierten seit Samstag Flüchtlinge mit den Mitteln des Hungerstreiks. Ihre Forderungen: menschenwürdige Unterbringung, sofortiges Bleiberecht, Recht auf Arbeit.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann meint dazu:

Wir lassen uns nicht erpressen.

Die Wikipedia definiert Erpressung so:

Bei der Erpressung versucht ein Erpresser, sich selbst oder Dritte rechtswidrig durch Gewalt oder durch Androhung eines empfindlichen Übels zu Lasten eines anderen zu bereichern.

Das Münchner Kreisverwaltungsreferat hat mehrmals betont, dass die Versammlung genehmigt und damit nicht rechtswidrig sei, es gibt, soweit ich weiss, kein Gesetz gegen Hungerstreik und die angedrohte Gewalt ging nicht gegen andere und damit zu deren Lasten.

Jetzt fühlt sich Herrmann, bzw. die bayerische Staatsregierung aber offenbar trotzdem erpresst und deshalb muss im Umkehrschluss Herrmann, bzw. die bayerische Staatsregierung unter Erpressung ungefähr Folgendes verstehen:

Bei der Erpressung versucht ein Erpresser, sich selbst oder Dritte mit legalen Mitteln durch Androhung eines empfindlichen Übels zu Lasten seiner selbst, grundgesetzlich garantierte Rechte zu erstreiten.

Die Flüchtlinge sind eine Interessengruppe. Und sie versuchen mit ihrer Protestaktion ihre Interessen gegenüber der Politik durchzusetzen.

Und das dürfte Joachim Herrmann doch bekannt vorkommen. Im politischen Betrieb droht eigentlich ständig Irgendeiner mit Irgendwas. Arbeitgeber mit Entlassungen, Gewerkschaften mit Streik, Banken mit SystemrelevanzEnergiekonzerne mit Klagen und, total irre, sogar Politiker drohen sich gegenseitig, z.B. mit Koalitionsbruch. Die Drohung (oder wie es Joachim Herrmann sagen würde: Erpressung) scheint also ein gängiges Mittel zur politischen Durchsetzung eigener Interessen. Meistens setzt man sich dann zusammen, redet und findet eine Lösung.

Joachim Herrmann war bis heute nicht bei den Flüchtlingen und hat mit ihnen geredet. Wahrscheinlich hat er noch nicht mal den Bericht seiner CSU-Parteifreundin Dagmar Wöhrl aus einem bayerischen Flüchtlingslager gelesen und wahrscheinlich wollte er auch einfach nur sagen:

Wir lassen uns nicht erpressen. Zumindest nicht von jeder dahergelaufenen Interessengruppe.

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